Vierter Artikel. Die Kleriker als solche geben keinen Zehnten.
a) Das Gegenteil scheint zulässsig. Denn: I. Die Kleriker haben manchmal in einer Pfarre Äcker als eigene Besitztümer. Von allen in der Pfarre befindlichen Äckern aber muß der Zehnte entrichtet werden. Also müssen auch die Kleriker in gewissen Fällen der Zehnten geben. II. Manche Ordensleute sind Kleriker. Sie müssen aber den Zehnten geben von den Äckern, die sie oft mit eigenen Händen bebauen. III. Nach Num. 18. müssen die Leviten ihrerseits den Zehnten geben dem Hohenpriester. Also müssen die Kleriker im Neuen Testamente den Zehnten geben dem Papste. IV. Wie den Klerikern, so soll der Zehnte auch den armen dienen. Sind also die Kleriker von der Pflicht, den Zehnten zu geben, entbunden, so sind dies auch die armen. Auf der anderen Seite heißt es in der Dekretale Paschalis' II.: „Eine neue Art Erpressung ist es, daß Kleriker von Klerikern den Zehnten verlangen.“
b) Ich antworte; ein und dasselbe kann nicht unter dem nämlichen Gesichtspunkte die Ursache des Gebens und Empfangens sein, sowie nicht die Ursache zu wirken und zu leiden. Dies kann aber eintreffen, wenn verschiedene Gesichtspunkte in Betracht kommen. Nun gebührt es den Kleriker als Dienern des Altars, insoweit sie Geistiges im Volke säen, daß ihnen der Zehnte verabreicht wird. Kleriker also als solche, insofern sie nämlich kirchliche Besitzungen haben, sind zum Entbieten des Zehntens nicht verpflichtet. Besitzen sie aber etwas auf Grund eigenen Erwerbes oder als Geerbtes oder ähnlich, so müssen sie den Zehnten geben.
c) I. Die den Klerikern als Privatpersonen zugehörigen Besitzungen müssen in der Pfarre, in welcher sie sind, den Zehnten entrichten; von den Kirchengütern aber wird kein Zehnte entrichtet, mögen sie auch in verschiedenen Pfarren liegen. II. Ordensleute, die Seelsorge haben, sind zu keinem Zehnten verpflchtet, sondern dürfen solchen annehmen. Die anderen Ordensleute müssen nach dem gemeinen Rechte den Zehnten geben; haben aber oft Vorrechte, welche der Papst ihnen verliehen. III. Im Alten Bunde waren die Erstlinge den Priestern geschuldet; der Zehnte aber den Leviten, die unter den Priestern standen. Deshalb befahl der Herr, daß sie dem Hohenpriester anstatt der Erstlinge den Zehnten vom Zehnten gäben. Wenn also der Papst dies jetzt verlangte, so würden die Priester dazu gehalten sein. Denn die natürliche Vernunft schreibt dies vor, daß wer die Obsorge für alle trägt, auch von den Gütern aller einen Teil erhält, damit er davon die Kosten der Verwaltung des Ganzen bestreiten kann. IV. Die Zehnten kommen den armen zu nur vermittelst der Mitteilung und Verwaltung seitens der Kleriker. Und sonach ist es in keiner Weise Sache der armen, den Zehnten zu nehmen; wohl aber sind sie gehalten, selbigen zu geben.
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