Erster Artikel. Der Götzendienst ist eine Gattung Aberglauben.
a) Dem steht entgegen: I. Die Häresie oder Ketzerei ist eine Gattung Unglauben, also auch der Götzendienst; denn sowohl der Häretiker wie der Götzendiener sind Ungläubige. II. Die äußere Gottesverehrung, die latria, gehört zur Tugend der Religion, zu der im Gegensatze steht der Aberglaube. Der Götzendienst aber ist dem Wesen nach ebenso äußere Gottesverehrung wie die, welche der wahren Religion entspricht; denn wie die Begier nach der falschen Glückseligkeit dem Wesen nach übereinkommt mit der Begier nach der wahren, so ist die Verehrung der falschen Götter, welche Götzendienst genannt wird, dem Wesen nach als Verehrung oder Kult dasselbe wie der Kult des wahren Gottes, also wie die latria der wahren Religion. Also ist der Götzendienst keine Gattung Aberglauben, sondern vielmehr im Gegensatze zum Aberglauben. III. Was nichts ist, das kann keine Gattung in einer „Art“ sein. „Das Götzenbild aber ist nichts,“ sagt Paulus (1. Kor. 8.) und: „Was also? Soll ich etwa sagen, was den Götzenbildern geopfert werde, sei etwas oder das Götzenbild sei etwas?“ Opfern den Götzenbildern aber ist so recht eigentlich Götzendienst. Da also der Götzendienst so viel wie nichts ist, kann er auch keine Gattung des Aberglaubens sein. IV. Dem Aberglauben entspricht es, göttlichen Kult dem zu erweisen, welchem er nicht zukommt. Göttlicher Kult aber kommt ebensowenig anderen Kreaturen zu wie den Götzenbildern, so daß Röm. 1. jene getadelt werden, welche „der Kreatur vielmehr dienten und sie anbeteten wie den Schöpfer.“ Also soll man den Götzendienst mit mehr Recht Kreaturendienst oder Kreaturenanbetung nennen. Auf der anderen Seite heißt es Act. 17., daß, als Paulus zu Athen den Silas und Timotheus erwartete, „sein Geist erregt wurde in ihm, da er sah, wie die Stadt dem Götzendienste zugethan sei … und er sprach: Athener, in Allem beinahe erblicke ich euch abergläubischer wie die anderen.“
b) Ich antworte, dem Aberglauben entspreche es, das gebührende Maß im göttlichen Kultus zu überschreiten. Das nun geschieht vorzugsweise, wenn derselbe einem erwiesen wird, dem er nicht gebührt. Gott nämlich allein darf man göttliche Ehre erweisen; wird solche also einer Kreatur dargebracht, so ist dies abergläubisch. Wie aber manchen sinnlich wahrnehmbaren Kreaturen göttliche Verehrung dargebracht wurde vermittelst sinnlich wahrnehmbarerZeichen wie vermittelst Opfer, Spiele u. dgl.; so auch ward sie dargebracht der Kreatur, insoweit diese gemäß einer sinnlich wahrnehmbaren Form oder Figur von Menschenhand dargestellt war, was wir Götzenbild nennen. In verschiedenen Weisen nun ward den Götzenbildern göttliche Verehrung dargebracht. Denn manche stellten vermittelst ruchloser Kunstfertigkeit gewisse Bilder her, welche kraft des Einflusses der Teufel bestimmte Wirkungen zur Folge hatten, so daß man meinte, diesen Bildern wohne göttliche Kraft inne und somit gebühre ihnen göttliche Verehrung. Und dies war die Meinung des Hermes Trismegistus, nach Augustin. (8. de civ. Dei 23.) Andere brachten göttliche Verehrung dar, nicht zwar den Bildern aber den darin dargestellten Kreaturen. Beides berührt der Apostel (Röm. 1.); das Erste mit den Worten: „Und sie vertauschten die Ehre des unsterblichen Gottes mit der Ähnlichkeit des Bildes eines vergänglichen Menschen und von Vögeln und vierfüßigen Tieren und Schlangen;“ das Zweite mit den Worten: „Sie verehrten und dienten vielmehr der Kreatur wie dem Schöpfer.“ Nun bestanden da drei Meinungen. Denn 1. die einen meinten, manche Menschen seien Götter gewesen wie Jupiter, Merkurius etc. Die anderen 2. waren der Ansicht, die ganze Welt sei ein einiger Gott; nicht wegen der körperlichen Substanz, sondern wegen der Seele; — denn sie sagten Gott sei die Weltseele, welche vermittelst der Bewegung und der Vernunft die Welt regiere; wie ja auch der Mensch als weise bezeichnet wird, nicht wegen des Körpers, sondern wegen der Seele. Deshalb glaubten diese letzteren, der ganzen Welt und allen ihren Teilen, wie den Sternen, der Luft, dem Wasser sei göttliche Ehre zu erweisen; und darauf bezogen sie, wie Varro berichtete (Aug. 7. de civ. Dei 21.), die Namen und Bilder ihrer Gottheiten. Wieder andere 3. wie die Platoniker, nahmen einen einigen höchsten Gott des All an; und nach diesem kämen geistige vom höchsten Gott geschaffene Substanzen, die sie „Götter“ nannten, weil sie an der Gottheit Anteil hatten, und die wir „Engel“ nennen; nach diesen ihren „Göttern“ dann beständen die Seelen der Himmelskörper und unter diesen die Dämonen, welche sie als aus Luft zusammengesetzte sinnbegabte Wesen bezeichneten; unter diesen nun erst befänden sich die Seelen der Menschen, von denen sie meinten, sie würden durch das Verdienst der Tugend zur Gemeinschaft der Götter oder der Dämonen erhoben. Diesen also allen brachten sie göttliche Ehre dar, nach 8. de civ. Dei 14. Diese letzten beiden Ansichten gehörten gemäß ihnen zur natürlichen Theologie, welche die Philosophen in der Welt betrachteten und in den Schulen lehrten; — die erste von den drei letzten Ansichten war nach diesen selben die Fabeltheologie, nämlich die, wozu die Verehrung von Menschen gehörte und welche durch die Poeten verarbeitet und auf den Theaten dargestellt wurde; — während die vorhergenannte Meinung, welche auf die Bilder sich richtete, speciell die bürgerliche Theologie war, welche die Priester feierten in den Tempeln. Dies Alles ist götzendienerischer Aberglaube. Deshalb sagt Augustin (II. de doctr. christ. c 20.): „Abergläubisch ist alles das, was von den Menschen eingerichtet worden ist, entweder um Götzenbilder herzustellen und zu verehren oder um die Kreatur als Gott zu verehren oder einen Teil der Kreatur etc.“
c) I. Die Gottesverehrung ist nicht die Tugend des Glaubens, sondern ein Bekenntnis desselben vermittelst äußerlicher Zeichen. Und so ist der Aberglaube ein Bekenntnis des Unglaubens durch äußeren Kult. Dieses Bekenntnis nun bezeichnet der Ausdruck „Götzendienst“; nicht aber der Ausdruck „Häresie“, der vielmehr auf eine falsche Meinung hindeutet, und so ist die Häresie eine Gattung im Unglauben; der Götzendienst eine Gattung Aberglauben. II. Die äußere Gottesverehrung, latria, bezeichnet entweder eine menschliche Thätigkeit, die zum Kulte der Gottheit gehört; und danach ändert die Bedeutung dieses Ausdrucks sich dem Wesen nach nicht, mag die Verehrung dem wahren Gotte oder den Götzenbildern erwiesen werden; denn wem sie erwiesen wird, das steht nicht in der Begriffsbestimmung, wie z. B. die Bezahlung eines Tributs wesentlich (univoce) dasselbe bezeichnet, mag sie dem wahren oder dem falschen Könige geleistet werden; — oder das Wort wird in der nämlichen Bedeutung genommen wie die Tugend der Gottesverehrung, die Religion, selber; und demgemäß, da dies eine Tugend ist, wird es nur von dem Kulte des wahren Gottes gebraucht. So ist im letzteren Sinne nur der Ausdruck derselbe, nicht das innere Wesen (aequivoca); wie in der Tugend der Klugheit und in der Klugheit des Fleisches nur der Ausdruck, nicht die Bedeutung dieselbe ist. III. Der Apostel meint, „die Götzenbilder seien nichts in der Welt“, weil jene Bilder, die man als Götzenbilder bezeichnete, nicht belebt waren und keinerlei göttliche Kraft in sich enthielten; wie Hermes wollte, der da meinte, ein Götzenbild sei etwas aus Leib und Seele Zusammengesetztes. Und ähnlich „ist das, was diesen Bildern geopfert wird, nichts;“ denn durch solche Opferung erlangten die Fleischteile weder eine Heiligung, wie die Heiden meinten, noch eine Verunreinigung, wie die Juden annahmen. IV. Infolge des gemeinsamen Gebrauches, kraft dessen die Heiden beliebige Kreaturen verehrten, wie sie in einzelnen Bildern dargestellt waren, ist dieser Name „Götzenbild“ und „Götzendienst“ genommen worden, um irgend welchen Kult der Kreatur zu bezeichnen, wenn er auch ohne Bild sich vollzöge.
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