Erster Artikel. Die Ehre schließt etwas Äußeres, Körperliches ein.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Die Ehre ist ein Darbringen der Ehrfurcht als Zeugnis der Tugend, (1 Ethic. 5.) Ehrfurcht haben vor jemandem aber ist etwas Geistiges; Ehrfurcht ist ein Akt der Furcht. Also ist auch die Ehre etwas Geistiges, Innerliches. II. „Die Ehre ist der Lohn der Tugend.“ (4 Eethic. 3.) Der Lohn der Tugend aber kann nur innerlich sein. III. Die Ehre unterscheidet sich vom Lobe und vom Ruhme. Diese beiden letzteren aber sind etwas Äußerliches. Also besteht die Ehre in Innerlichem und Geistigem. Auf der anderen Seite sagt Hieronymus zu 1. Tim. 5. Viduas honora (ep. ad Ageruchum): „Die gegenwärtige Ehre wird entweder als Almosen oder als ein Geschenk aufgefaßt.“ Beides ist aber etwas Körperliches.
b) Ich antworte, die Ehre schließe die Bezeugung eines Vorranges ein, den jemand besitzt. Deshalb suchen Menschen, die geehrt werden wollen, nach einem, der als Zeuge ihres Vorranges dienen kann. (1 Ethic. 5.) Ein Zeugnis nun kann vor Gott abgegeben werden oder vor den Menschen. Vor Gott, der in die Herzen schaut, genügt das Zeugnis des Gewissens“. Vor den Menschen kann aber etwas bezeugt werden nur durch äußere Zeichen oder Worte, wie wenn jemand den anderen lobt oder ihn grüßt, oder ihm Geschenke darbringt oder ein Bild von ihm machen läßt oder ähnlich. Danach also besteht die Ehre in äußerlichen Zeichen.
c) I. Die Ehrfurcht ist nicht dasselbe wie Ehre. Sie ist einerseits der erste Beweggrund, jemanden zu ehren; und andererseits der Zweck der Ehre; — denn deshalb ehrt man jemanden, damit andere vor ihm Ehrfurcht haben. II. Nach Aristoteles ist die Ehre kein genügender Lohn der Tugend. Aber im Bereiche des Menschlichen und Körperlichen kann nichts höher stehen wie die Ehre; insofern damit selbst das Körperliche den Vorzug der Tugend in anderen darthut. Es ist auch dem Guten und Schönen geschuldet, daß es offenbar werde, nach Matth. 5.: „Man stellt die Leuchte nicht unter den Scheffel.“ III. Das Lob besteht nur in Worten, die Ehre auch in äußerlichenZeichen. Ferner bezeugen wir durch die Ehre den Vorrang von etwas Gutem in einem schlechthin; durch das Lob jedoch nur mit Bezug auf den Zweck. Denn Ehre gebührt auch dem besten, der schon den Zweck erreicht hat; Lob aber auch dem, der zweckdienlich handelt. Der Ruhm aber ist das Ergebnis von Lob und Ehre. Denn danach daß wir das Gute in einem Menschen durch Lob und Ehre bezeugen, sind wir Ursache davon, daß dieses zur Kenntnis mehrerer kommt; Ruhm nämlich ist nichts Anderes wie ein „mit Lob verbundenes Bekanntsein“.
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