Zweiter Artikel Der Stolz des ersten Menschen bestand darin daß er begehrte, Gott ähnlich zu sein.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Gott ähnlich sein kommt dem Menschen seiner Natur nach zu; denn er ist gemacht nach dem Bilde und nach der Ähnlichkeit mit Gott. Danach also begehren, ist weit davon entfernt, eine Sünde zu sein. II. Nach Wissen zu streben, ist dem Menschen natürlich, denn „alle Menschen verlangen danach, Wissen zu besitzen.“ (1 Metaph.) Die ersten Menschen aber begehrten, „zu wissen das Gute und Böse.“ Also ist darin keine Sünde. Und da die ersten Menschen auf diese Weise „wie Gott sein“ wollten, so ist darin kein sündhafter Stolz, nach solcher Ähnlichkeit mit Gott zu streben. III. Keiner, der Weisheit besitzt, macht zum Gegenstande seiner Wahl etwas Unmögliches. Der erste Mensch aber „war angefüllt mit der Lehre des Verständnisses.“ (Ekkli. 17.) Da nun es etwas Unmögliches ist, daß der Mensch Gott ähnlich sei, nach Exod. 15.: „Wer soll Dir ähnlich sein, Herr, unter den starken;“ so konnte der erste Mensch nicht sündigen durch das Begehren nach der Ähnlichkeit mit Gott. Auf der anderen Seite bemerkt Augustin zu Ps. 68 (Quae non rapui …) „Adam und Eva wollten die Göttlichkeit an sich reißen und verloren die paradiesische Glückseligkeit.“
b) Ich antworte, die eine Ähnlichkeit mit Gott sei die volle Gleichheit; und diese begehrten die ersten Menschen, die weise und verständnisvoll waren, als etwas Unmögliches nicht. Die andere Ähnlichkeit mit Gott besteht in dem Maße, wie es jeder Kreatur angemessen ist, in etwa Gott nachzuahmen. Denn Dionysius sagt (9. de div. nom.): „Ein und dasselbe ist Gott ähnlich und zugleich unähnlich; ähnlich, insoweit es ihm entspricht, dem Vermögen nach in etwa Gott nachzuahmen; unähnlich, insoweit das, was verursacht ist, immer tiefer steht als seine Ursache.“ Nun ist jegliches Gute in einem Geschöpfe eine gewisse mitgeteilte Ähnlichkeit mit Gott. Daß also der Mensch ein beliebiges geistiges Gut begehrt über das ihm entsprechende Maß hinaus, das heißt ebensoviel wie nach der Ähnlichkeit mit Gott ungeregelterweise streben. Es muß jedoch erwogen werden, daß das Begehren immer eigentlich auf ein Gut sich richtet, was man nicht besitzt. „Nun kann das geistige Gut, gemäß dem die vernünftige Kreatur an Gottes Ähnlichkeit in etwa teilnimmt, 1. nach dem natürlichen Sein selber der Kreatur berücksichtigt werden; solche Ähnlichkeit ward dem ersten Menschen vom Beginne an eingeprägt, nach Gen. 1.: „Gott machte den Menschen nach seinem Bilde und nach seiner Ähnlichkeit,“ und ebenso dem Engel, nach Ezech. 28.: „Du das Merkmal der Ähnlichkeit;“ — 2. kann es berücksichtigt werden gemäß der Kenntnis; und diese Ähnlichkeit empfing wohl bei seiner Erschaffung der Engel: „Du das Merkmal der Ähnlichkeit, voll der Weisheit,“ nicht aber der Mensch, wenigstens nicht dem thatsächlichen Bestande, sondern nur dem Vermögen nach; — 3. nach der voll mitgeteilten Macht und Gewalt, um zu wirken; und diese Ähnlichkeit hatte weder der Engel noch der Mensch bei ihrer Erschaffung dem thatsächlichen Bestande nach empfangen; beiden blieb noch übrig, etwas zu wirken, um die Seligkeit zu erhalten. Weder der Engel also noch der Mensch sündigten durch das Begehren nach der Ähnlichkeit mit Gott, wie solche in ihrem natürlichen thatsächlichen Sein sich vorfand. Der erste Mensch aber sündigte in erster Linie deshalb, weil er im Erkennen, im Wissen nach der Ähnlichkeit mit Gott begehrte; daß er nämlich durch die Kraft der eigenen Natur sich bestimmen könnte, was für ihn gut oder böse sei im Wirken; oder auch daß er aus sich selber vorhererkännte, was für Gutes oder Böses die Zukunft für ihn berge. Sodann, auf Grund dieser eben erwähnten Ähnlichkeit mit Gott, die der erste Mensch ungeregelterweise begehrte, sündigte er ebenso durch das Begehren nach der Ähnlichkeit mit Gott mit Rücksicht auf die Macht, zu handeln, daß er nämlich aus den Kräften der eigenen Natur sich die Seligkeit erwirke. Deshalb sagt Augustin (11. sup. Gen. ad litt. 30.): „Dem Geiste des Weibes wohnte inne die Liebe zu eigenmächtigem Wirken.“ Der Teufel aber begehrte die Ähnlichkeit mit Gott rücksichtlich der Macht und Gewalt; weshalb Augustin sagt (de vera Relig. 13.): „Er wollte vielmehr an seiner Macht sich freuen wie an der Gottes.“ Mit Rücksicht auf einen Punkt stand der Teufel jedoch mit dem Menschen auf der gleichen Stufe; beide wollten auf sich selber sich stützen und verachteten den Maßstab der göttlichen Weisheit.
c) I. Das betrifft die in der Natur selber begründete Ähnlichkeit mit Gott; mit Rücksicht auf sie sündigte der Mensch nicht durch sein Begehren II. Ähnlich Gott im Wissen sein wollen, ist an und für sich keine Sünde; aber dies in ungeregelter Weise begehren, über das beschiedene Maß nämlich hinaus, das ist Sünde. Deshalb sagt Augustin zu Ps. 70 (Deus quis similis tibi): „Wer durch sich sein will, wie Gott von keinem ist, will in verkehrter Weise Gott ähnlich sein; so war der Wille des Teufels, der nicht unter Gott sein wollte; so der des Menschen, der, obgleich Knecht, dem Gebote nicht gehorchen wollte.“ III. Dies gilt von der vollen Gleichheit mit Gott.
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