Dritter Artikel. Die Schwere der Sünde der ersten Menschen.
a) Dieselbe war schwerer wie die übrigen Sünden. Denn: I. Augustinus sagt (14. de civ. Dei 15.): „Groß war in dieser Sünde die Bosheit, wo so große Leichtigkeit sich vorfand, nicht zu sündigen.“ Diese Leichtigkeit aber war im höchsten Grade groß, weil in den Stammeltern nichts zur Sünde trieb. Also war auch die Bosheit im höchsten Grade groß. II. Der Schuld entspricht die Strafe. Im höchsten Grade aber ward die erste Sünde bestraft; denn durch sie trat der Tod in die Welt. (Röm. 5.) III. Die Sünde Adams war das Erste im Bereiche der menschlichen Sündhaftigkeit; also war sie die größte. Denn immer ist im Bereiche einer Seinsart das, was das Erste ist, das Maßgebendste. (2 Metaph.) Also war die Sünde Adams schwerer wie die übrigen Sünden. Auf der anderen Seite sagt Origenes (1 Periarch. cap. 3.): „Ich meine nicht, daß jemand von einer hohen Stufe der Vollkommenheit, die er einnimmt, plötzlich herabstürze; sondern allmählich und nach und nach geschieht dies.“ Die Voreltern aber waren im Zustande höchster Vollkommenheit; also war ihre erste Sünde nicht unter allen die schwerste.
b) Ich antworte; wird die Schwere einer Sünde in Betracht gezogen gemäß ihrer Wesensgattung, wie der Mord schwerer ist als der Ehebruch (und diese Schwere ist der Sünde wesentlicher); — so war die erste Sünde nicht die schwerste. Denn größer ist der Stolz, womit jemand Gott leugnet oder lästert; wie der, womit einer ohne Regel und Maß nach der Älhnlichkeit mit Gott begehrt, in welcher Weise der Stolz in den Stammeltern sich fand. Wird jedoch die Schwere einer Sünde erwogen nach den Umständen der Person, des Ortes, der Zeit; so hatte jene Sünde die größte Schwere wegen der Vollendung des Zustandes der Voreltern. Nicht also schlechthin war ihre Sünde die schwerste, sondern unter einem gewissen Gesichtspunkte.
c) I. Dies ist die Schwere, die von den Umständen hergenommen wird. II. Die Größe der Strafe entspricht nicht der Größe der inneren Schuld, sondern dem Umstände daß diese Sünde die erste war. Denn durch sie ward die Unschuld des Urzustandes durchbrochen und damit die ganze menschliche Natur eine innerlich ungeordnete. III. Wo viele Dinge wesentlich miteinander verbunden sind, so daß das eine nur auf Grund des anderen existiert, wie die Wärme eines Zimmers ihrem Wesen nach mit dem Feuer zusammenhängt; da ist das Erste im Bereiche einer solchen „Art“ zugleich das Größte. Eine solche Ordnung aber findet sich nicht unter den Sünden der Menschen.
