Vierter Artikel. Die Sünde des Weibes war schwerer wie die des Mannes.
a) Das gerade Gegenteil ist richtig. Denn: I. 1. Tim. 2. heißt es: „Adam ist bei jener Übertretung nicht verführt worden, sondern Eva.“ Also sündigte Eva gewissermaßen aus Unkenntnis, Adam mit Vorwissen. Luk. 12. aber steht geschrieben: „Jener Knecht, der den Willen des Herrn kennt und ihn nicht thut, wird in hohem Grade bestraft werden; wer aber den Willen des Herrn nicht kannte und fehltrat, der wird wenig bestraft werden.“ Also sündigte Adam schwerer wie Eva. II. Augustin (de 10. cordis 3.) schreibt: „Ist der Mann das Haupt, so muß er ein vollkommeneres Leben führen und in allen guten Werken vorangehen; und zwar zumal der Frau, damit diese den Mann nachahme.“ Wer aber besser zu leben verpflichtet ist, sündigt schwerer wenn er sündigt. Also. III. Adam scheint gegen den heiligen Geist gesündigt zu haben; denn er sündigte im Vertrauen aus die göttliche Barmherzigkeit, was heißt: „freventlich auf Gottes Barmherzigkeit hin sündigen.“ Also sündigte Adam schwerer wie Eva, da die Sünde gegen den heiligen Geist die schwerste ist. Auf der anderen Seite ist das Weib schwerer bestraft worden wie der Mann. (Gen. 3.)
b) Ich antworte; wird der Umstand der Person berücksichtigt, so ist an und für sich die Sünde des Mannes schwerer, weil er vollendeter ist wie das Weib. Mit Rücksicht auf die „Art“ der Sünde ist beider Sünde gleich; denn sie war „Stolz“: „Das Geschlecht des Weibes diente als ungleich dem Weibe zur Entschuldigung; aber ihr Stolz im Entschuldigen war der nämliche.“ (Aug. 11. sup. Gen. ad lit. 35.) Mit Rücksicht endlich auf die Gattung selber der Sünde des Stolzes sündigte das Weib schwerer wie der Mann: 1. weil sie sich mehr erhob über sich selbst wie der Mann; denn sie meinte, es sei wahr, daß sie durch das Essen von der verbotenen Frucht zu Gottes Ähnlichkeit gelangen könne und daß Gott deshalb solches Essen verboten habe; sonach erhob sich ihr Stolz bis zu dem Punkte, daß sie gegen den Willen Gottes etwas erreichen wollte; dagegen meinte der Mann nicht, das von der Schlange Gesagte sei wahr, und somit wollte er nicht gegen Gottes ausdrücklichen Willen einen Vorrang erreichen, aber er wollte dies aus eigener Kraft, durch sich selbst; — 2. weil das Weib nicht allein für sich selber aß, sondern auch ihren Mann zur Sünde verleitete und somit gegen Gott und zugleich gegen den Nächsten fehlte; — 3. weil die Sünde des Mannes in etwa vermindert wurde; denn „er stimmte aus einem gewissen freundlichen Wohlwollen zu, wodurch so oft es geschieht, daß Gott beleidigt wird, damit nicht ein Mensch etwa aus einem Freunde ein Feind werde; daß Adam dies nicht hätte thun sollen, zeigte der Ausgang der gerechten Sentenz Gottes.“ (Aug. 11. sup. Gen. ad litt.) Also war, schlechthin gesprochen, die Sünde des Weibes schwerer wie die des Mannes.
c) I. Jene Verführung des Weibes folgte aus der voraufgegangenen Selbstüberhebung. Solche Unkenntnis aber entschuldigt nicht, sondern erschwert die Sünde; denn das Weib kam durch die Unkenntnis zu größerer Selbstüberhebung. II. Dieser Einwurf betrifft den Umstand der Person. III. Adam vertraute nicht auf die göttliche Barmherzigkeit bis zu dem Grade, daß er die göttliche Gerechtigkeit verachtet hätte, was die Sünde gegen den heiligen Geist ausmacht. Vielmehr „meinte er, der noch nicht die Strenge Gottes erfahren hatte, jene Sünde sei eine läßliche“ d. h. leicht nachzulassende, (Aug. 14. de civ. Dei 11.)
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