Erster Artikel. Der göttlichen Person kommt es zu, eine geschaffene Natur anzunehmen.
a) Dem wird widersprochen. Denn: I. Person in Gott zu sein, bezeichnet etwas im höchsten Grade Vollkommenes. Vollkommen aber oder vollendet ist das, wozu nichts hinzugefügt werden kann. Also kann eine göttliche Person nichts Weiteres „an sich nehmen“. II. Was zu etwas Anderem hinzutritt, tritt gewissermaßen in Teilnehmerschaft mit diesem, wovon es angenommen wird; wie z. B. eine Würde jenem mitgeteilt wird, den man zu dieser Würde aufnimmt. Zum Charakter der Person aber gehört es, unmitteilbar zu sein. III. Die Person wird hergestellt durch die Natur. Unzulässig aber ist es, daß das Hergestellte annimmt das, wodurch es hergestellt worden; da keine Wirkung als solche Einfluß hat auf ihre Ursache. Also kommt es der Person überhaupt nicht zu, eine Natur anzunehmen. Auf der anderen Seite sagt Augustin (de fide ad Petr. 2.): „Die Gestalt d. i. die Natur des Knechtes hat Gott angenommen zu seiner Person.“ Gott aber, nämlich der Eingeborene Sohn Gottes, ist Person. Also kommt es der Person zu, eine Natur anzunehmen.
b) Ich antworte, im Ausdrucke „Annehmen“ sei zweierlei eingeschlossen: 1. das Princip der Thätigkeit und 2. deren Abschlußpunkt. Denn „Annehmen“ heißt: „An-sich-nehmen“. Für dieses Annehmen aber ist die Person Princip und Abschlußpunkt: Princip, weil der Person es zukommt, zu handeln; — Abschlußpunkt, weil die Einigung sich vollzogen hat in der Person, nicht in der Natur. Weil also von göttlicher Thätigkeit aus das Fleisch angenommen worden und weil es zur Einheit in der Person angenommen worden; deshalb kommt es im eigentlichsten Sinne der Person zu, eine Natur anzunehmen.
c) I. Die Person in Gott ist unendlich. Also ist da ein Hinzufügen nicht möglich. Deshalb schreibt Cyrillus (ep. synod. Eph. conc.): „Nicht in der Weise verstehen wir dies, als ob zur göttlichen Person wie zu etwas Unvollendetem etwas hinzugefügt worden sei.“ Wie nämlich auch in der Einigung des Menschen mit Gott durch die Gnade der Gotteskindschaft nichts zu Gott hinzugefügt wird, sondern darin der Mensch seine Vollendung findet, daß etwas Göttliches ihm geschenkt wird; — so verhält es sich auch hier. II. „Person“ schließt in sich Unmitteilbarkeit ein, insoweit sie nicht von mehreren Fürsichbestehenden ausgesagt worden, als ob z. B. „Petrus“ dieser und jener Mensch zugleich wäre. Nichts aber hindert, daß Mehreresvon der Person ausgesagt werden kann. Nicht also ist es gegen den Charakter der Person, in der Weise mitteilbar zu sein, daß sie in mehreren Naturen für sich bestehe; wie ja auch in einer geschöpflichen Person mehrere Naturen in der Weise von Eigenschaften sich finden können, im Menschen z. B. der Umfang und die Beschaffenheit. Dies allein ist eigen der göttlichen Person wegen ihrer Unendlichkeit, daß in ihr mehrere Naturen zusammenkommen nicht als Eigenschaften, sondern als Naturen, die ihr Fürsichbestehen da haben. III. Durch die menschliche Natur wird nicht schlechthin die göttliche Person hergestellt (Kap. 2, Art. 1.); sondern nur insoweit, als danach die göttliche Person von dieser Natur her benannt wird. Denn nicht von der menschlichen Natur hat es der Sohn Gottes, daß Er schlechthin Sein hat, da Er von Ewigkeit ist; sondern daß Er Mensch ist und dies eben von Ihm ausgesagt wird. Durch die göttliche Natur freilich wird die göttliche Person schlechthin hergestellt. Deshalb wird nicht gesagt, die göttliche Person nehme die göttliche Natur an, sondern die menschliche.
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