Dritter Artikel. Wird durch die Auffassung der Vernunft der Charakter der Person in Gott entfernt, so kann noch immer die Natur in Gott eine geschaffene Natur annehmen.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Eben ward gesagt, der göttlichen Natur komme es nur zu unter dem Gesichtspunkte der Person, in welcher sie ist, daß sie annehme. Also kommt es ihr, abgesehen vom Charakter der Person, nicht zu. II. „Annehmen“ schließt in sich ein den Abschlußpunkt der Einigung. Die Einigung aber geschieht nicht in der Natur, sondern in der Person. III. Nach I. Kap. 40, Art. 3. bleibt im Bereiche des Göttlichen, wenn der Charakter der Person entfernt wird, nichts übrig. Das Annehmende aber ist etwas. Also kann, abgesehen von der Person, die göttliche Natur keine geschaffene annehmen. Auf der anderen Seite wird in Gott Persönlichkeit genannt die persönliche Eigenheit, die proprietas personalis, die eine dreifache ist. Werden aber diese persönlichen Eigenheiten entfernt, so bleibt noch Gottes Allmacht, durch welche die Menschwerdung sich vollzogen hat, nach Luk. 1, 37. Also kann, auch abgesehen von der Person, die göttliche Natur annehmen.
b) Ich antworte, die Vernunft könne 1. sich zu Gott verhalten als schauend, wie Er ist; und danach ist es unmöglich, daß sie etwas von Gott erkenne so, daß etwas Anderes nicht erkannt wird; denn Alles was in Gott ist, das ist höchste Einheit, vorbehaltlich des Unterschiedes in den Personen, von denen freilich, wenn eine hinweggedacht wird, auch die anderen wegfallen, da sie nur kraft der Beziehung zu einander bestehen und somit zugleich sind; — 2. kann die Vernunft sich zu Gott verhalten in ihrer jetzigen Erkenntnisweise, nämlich durch vielerlei und durch voneinander getrennte Erkenntnisakte, so daß sie durch Vielheit erkennt, was in Gott Eines ist. Und so kann die Vernunft verstehen die Allmacht, Weisheit etc. Gottes, ohne aufzufassen die Vaterschaft und Sohnschaft, die ja persönliche Eigenheitensind. In dieser Weise können wir absehen von den Personen und noch verstehen die göttliche Natur, insoweit sie annimmt eine geschaffene.
c) I. Weil in Gott das Nämliche ist: daß Er ist und wodurch Er ist, so ist was auch immer Gott zugeschrieben wird in abstrakter Weise, nämlich in der Weise von allgemeinen Vollkommenheiten zugleich in Gott etwas konkret Subsistierendes oder Fürsichbestehendes. Wenn wir nun von den drei persönlichen Eigenheiten absehen, durch welche die drei Personen gebildet werden; so würde dann unserer auffassenden Vernunft nach immer noch die Natur bleiben als etwas Subsistierendes und somit, da diese Natur vernünftig ist, als Person. In dieser Weise also ist zu verstehen, daß sie die menschliche Natur annehmen könnte auf Grund des Fürsichbestehens, das ihr die Vernunft geben müßte; weil Alles, was allgemein von Gott ausgesagt wird, in Ihm Einzelbestand, also konkrete Subsistenz hat. II. Auch abgesehen von den drei Personen, bleibt kraft der vernünftigen Auffassung in Gott ein Fürsichbestehen, wie dies die Juden meinen; und von dieser Subsistenz könnte angenommen werden eine geschaffene Natur. III. In der Weise der Auflösung in höhere Principien (per modum resolutionis) bleibt allerdings in Gott nichts übrig, wenn die drei Personen fortgedacht werden; als ob nämlich etwas Anderes wäre die Beziehung oder Relation und etwas Anderes das, was der Relation zu Grunde liegt; weil Alles, was in Gott betrachtet wird, als subsistierend oder fürsichbestehend betrachtet wird. In dieser Weise aber sprechen wir jetzt nicht; sondern in der oben gekennzeichneten.
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