Fünfter Artikel. Über das Offenwerden des Himmels bei der Taufe Christi.
a) Der Himmel durfte sich da nicht öffnen. Denn: I. Jenem öffnet sich der Himmel, der außen ist. Christus aber war immer im Himmel, nach Joh. 3.: „Der Menschensohn, der da ist im Himmel.“ II. Dieses Offenwerden kann nicht körperlicherweise verstanden werden; denn die Himmelskörper sind unzerbrechlich und keinerlei Leiden zugänglich, nach Job 37.: „Hast du vielleicht zusammen mit Ihm die Himmel hergestellt, die wie aus Erz gegossen überaus große Festigkeit haben?“ Auch geistigerweise kann dies nicht verstanden werden; denn nie waren sie vor den geistigen Augen des Sohnes Gottes geschlossen. Also ist dies mit Unrecht gesagt, der Himmel hätte sich bei der Taufe Jesu geöffnet. III. Der Himmel ward für die gläubigen geöffnet durch Christi Leiden, nach Hebr. 10.: „Wir haben Vertrauen, einzutreten in das Heilige im Blute Christi.“ Also wenn jene, welche sogar Christi Taufe empfangen hätten, vor dem Leiden Christi gestorben wären, sie hätten in den Himmel nicht eintreten können. Somit hätte der Himmel sich eher öffnen müssen beim Leiden Christi, wie bei der Taufe Christi. Auf der anderen Seite steht Luk. 3, 21.
b) Ich antworte, Christus habe getauft werden wollen, damit Er durch seine Taufe die feierliche Weihe gebe unserer Taufe. Also mußte bei der Taufe Jesu alles Das sich zeigen, was da gehört zur Wirksamkeit unserer Taufe. Da ist nun 1. die himmlische Kraft, vermöge deren unsere Taufe Wirksamkeit hat; und deshalb ist der Himmel geöffnet worden, damit gezeigt würde, von nun an werde eine himmlische Kraft — die Taufe — heiligen. Es trägt 2. zur Wirksamkeit der Taufe bei der Glaube der Kirche und dessen, der getauft wird; weshalb auch die getauften den Glauben bekennen und die Taufe genannt wird das Sakrament des Glaubens. Durch den Glauben aber erkennen wir Himmlisches, was allen Sinn übersteigt. Und um dies zu bezeichnen, „sind bei der Taufe Jesu die Himmel geöffnet worden.“ Es wird 3. durch die Taufe speciell der Eintritt in den Himmel bewirkt, der dem Menschen durch die Sünde geschlossen war. Und danach wird durch die Öffnung des Himmels angedeutet, nun sei offen der Weg zum Himmel. Nach der Taufe aber bedarf der Mensch beständig des Gebetes, damiter in den Himmel eintreten könne. Denn mag auch die Taufe die Sünden tilgen, es bleibt doch immer der Fleischesstachel, der von innen her Versuchungen bereitet; es bleiben die Welt und der Teufel, die von außen her uns bekämpfen. Deshalb heißt es hier ausdrücklich: ,Als Jesus getauft wurde und betete, ward der Himmel geöffnet; denn sowohl ist den gläubigen nach der Taufe notwendig das Gebet als auch wird durch die Taufe der Himmel geöffnet vermittelst der Kraft des Gebetes Christi.“ Und darum wieder heißt es: „Ihm ist der Himmel geöffnet worden“ (Matth. 3.), denn allen hat er sich geöffnet Christi wegen, „wie wenn der König zu einem, der für einen anderen fürbittet, sagt: Diese Gunst erweise ich dir; d. h. jenem wegen deiner“ (Chrysost. l. c.).
c) I. „Wie Christus,“ so Chrysostomus (l. c.), „als Mensch getauft worden ist, obwohl Er für Sich der Taufe nicht bedurfte; so ist Ihm der Aufgabe gemäß, die Er als Mensch hatte, der Himmel geöffnet worden; nach der göttlichen Natur war er immer im Himmel.“ II. Nach Hieronymus (sup. Matth. 3.) „sind die Himmel geöffnet worden, nicht durch Verschiebung der Elemente, sondern den inneren gestigen Augen; wie auch Ezechiel im Beginne seiner Prophetie berichtet, die Himmel hätten sich geöffnet“. Und das beweist des weiteren Chrysostomus (I. c.): „Wenn der körperlich geschaffene Himmel durchbrochen worden wäre, so hätte er nicht gesagt: Ihm sind sie geöffnet worden; denn was körperlich so geöffnet wird, das ist für alle offen.“ Deshalb heißt es auch Mark. 1. ausdrücklich: „Jesus sah sogleich beim Aufsteigen aus dem Wasser die Himmel geöffnet,“ als ob der Evangelist dieses Öffnen der Himmel nur eben auf das Sehen Christi beziehe. Einige nun beziehen dies auf das körperliche Sehen, so daß der Körper Jesu von so viel Lichtglanz umfiossen gewesen wäre in der Taufe, als ob die Himmel sich geöffnet hätten. Jedoch kann dies auch auf ein Gesicht in der Einbildungskraft sich beziehen, in welcher Weise Ezechiel die Himmel offen sah; es wurde nämlich durch göttliche Kraft und durch den vernünftigen Willen ein derartiges Gesicht in der Einbildungskraft Christi geformt, damit dadurch ausgedrückt werde, wie durch die Taufe den Menschen der Eintritt zum Himmel offen stehe. Auch auf die reine Vernunftkraft kann dieses Gesicht bezogen werden; insoweit Christus sah, nachdem nun die Taufe geheiligt worden, daß der Himmel offen geworden sei für die Menschen, was Er vorher als etwas zu Geschehendes gesehen hatte. III. Das Leiden Christi ist die gemeinsame Ursache für alle Menschen, daß sie in den Himmel eintreten können. Diese Ursache aber muß nun auf den einzelnen Menschen angewendet werden; und das geschieht durch die Taufe, nach Röm. 6.: „Wer getauft ist in Christo Jesu, der ist im Tode desselben getauft.“ Und deshalb wird das Offenwerden der Himmel bei der Taufe Jesu erwähnt. Oder, nach Chrysostomus (l. c.), „sind bei der Taufe die Himmel nur geöffnet worden. Nachdem aber der Tyrann am Kreuze besiegt worden war, weil da keine Thore für den nie mehr zu schließenden Himmel notwendig waren, sagen die Engel nicht: Öffnet die Thore; sondern: Nehmet hinweg die Thore.“ Damit will gesagt werden, daß nach dem Tode Christi alle Hindernisse, welche früher den Seelen entgegenstanden, daß sie den Himmel nicht betreten konnten, hinweggenommen sind; — während bei der Taufe die Himmel bloß geöffnet wurden, um so den Weg zu zeigen, auf welchem die Menschen in den Himmel eintreten können.
