Siebenter Artikel. Jene Taube, in welcher der heilige Geist erschien, war ein wirkliches sinnbegabtes Wesen.
a) Dies wird geleugnet. Denn: I. Luk. 3, 22. sagt ausdrücklich „in körperlicher Gestalt wie eine Taube.“ Danach scheint die Erscheinung nur die Ähnlichkeit mit einer Taube gehabt zu haben. II. „Gott und die Natur thun nichts ohne Zweck“ (1. de coel.). Da also diese Taube nach Augustin (2. de Trin. 6.) zu nichts Anderem diente als um etwas zu bezeichnen und dann vorüberzugehen, so genügte dazu eine einfache Figur, ein Luftbild. III. Die Eigenheiten eines Dinges führen zur Kenntnis der Natur dieses Dinges. Wäre also diese Taube ein wahres, wirkliches Tier gewesen, so hätten ihre Eigenheiten nicht zur Kenntnis der Wirkungen des heiligen Geistes geführt, sondern zur Kenntnis der eigenen Natur. Somit kann davon nicht die Rede sein, daß dies ein wahres Tier gewesen sei. Auf der anderen Seite sagt Augustin (de agone christ. 22.): „Nicht aber sagen wir das so, als ob allein der Herr Jesus Christus einen wahrhaftigen Körper gehabt und der heilige Geist bei seiner Erscheinung die Augen der Menschen getäuscht hätte; nein, jene beiden Körper, so glauben wir, waren wahrhaftige Körper.“
b) Ich antworte; es geziemte sich nicht, daß der Sohn Gottes, die Wahrheit des Vaters, sich einer leeren, täuschenden Form bediente. Und deshalb war ein wahrhaftiger Leib, kein phantastischer, der, welchen er annahm. Weil aber der heilige Geist ebenso „der Geist der Wahrheit“ ist, so hat Er ebenso eine wahrhaftige Taube geformt, in welcher Er erschien, obwohl Er sie nicht zur Einheit der Person annahm. Deshalb fügt Augustin hinzu: „Wie es sich nicht geziemte, daß der Sohn Gottes (durch einen Scheinleib) die Menschen täuschte, so ziemte es sich nicht, daß dies der heilige Geist that. War es doch dem allmächtigen Gotte, der alle Kreatur aus Nichts gemacht hatte, nicht schwer, den wahrhaftigen Leib einer Taube, ohne das Dazwischentreten anderer Tauben herzustellen, ebenso wie es Ihm nicht schwer war, einen wahren Körper im Schoße Marias ohne Dazwischentreten männlichen Samens zu machen; es dient ja die körperliche Kreatur sowohl im Schoße einer Frau mit Rücksicht auf die Formung eines Menschen, und in der Welt selber mit Rücksicht auf die Formung einer Taube, dem Befehle und dem Willen des Herrn.“
c) I. Dies wird vom Evangelisten gesagt, nicht um die Wahrhaftigkeit der Taube auszuschließen, sondern um zu zeigen, daß der heilige Geist nicht in der Form seiner eigenen Substanz erschienen sei. II. Eine wahrhaftige Taube zu formen, war durchaus nicht überflüssig. Denn durch die Wahrhaftigkeit des Körpers dieser Taube ward bezeichnet die Wahrheit des heiligen Geistes und die Wirklichkeit seiner Wirkungen in der Taufe. III. Dadurch eben daß die Taube solche Eigenheiten von Natur hat, führt sie zur Kenntnis der Wirkungen des heiligen Geistes; Beides also fällt zusammen.
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