Vierter Artikel. Christus hätte seine hervorragende Gewalt in den Sakramenten, die potestas excellentiae, mitteilen können den anderen Spendern (oder ministris).
a) Dies wird bestritten. Denn: I. „Wenn Er es konnte und nicht wollte, so war Er eifersüchtig,“ sagt Augustin (3. cont. Maxim. 7.). Eifersucht aber war weit entfernt vom liebevollen Herzen des Herrn. Da Er also die hervorragende Gewalt den anderen Spendern nicht mitgeteilt hat, so scheint es, daß Er dies nicht konnte. II. Zu Joh. 14. (majora horum) erklärt Augustin (tract. 72. in Joan.): „Ich möchte sagen, daß dies, den Sünder rechtfertigen, durchaus größer sei wie Himmel und Erde schaffen.“ Christus aber konnte seinen Jüngern nicht mitteilen, daß sie Himmel und Erde schüfen; also auch nicht, daß sie den Sünder rechtfertigten. Da nun die Rechtfertigung des Sünders sich vollzieht kraft der Christo eigenen Gewalt über die Sakramente, so konnte er diese Gewalt nicht mitteilen. III. Christo als dem Haupte der Kirche kommt es zu, daß von Ihmsich die Gnade ableitet zu den anderen, nach Joh. 1.: „Von seiner Fülle haben wir alle empfangen.“ Dies war aber anderen nicht mitteilbar, sonst hätte die Kirche mehrere Häupter gehabt d. h. sie wäre ein Ungeheuer gewesen. Auf der anderen Seite erklärt Augustin zu Joh. 1, 31. (tract. 5. in Joan.): „Er (der Täufer) wußte nicht, daß der Herr selber die Gewalt über die Taufe haben und sich allein vorbehalten werde.“ Darüber wäre aber Johannes nicht in Unkenntnis gewesen, wenn eine solche Gewalt gar nicht mitteilbar gewesen wäre. Also konnte der Herr seine eigene Gewalt in der sakramentalen Welt anderen mitteilen.
b) Ich antworte; die Vollgewalt, welche der Herr als Gott über die Sakramente besitzt, kann der Herr keiner Kreatur mitteilen ebensowenig wie seine eigene Wesenheit. Jene hervorragende Gewalt aber, welche Christus als Mensch im Bereiche der Sakramente besaß, hätte Er Kreaturen mitteilen können; indem Er denselben eine solche Fülle der Gnade verlieh, daß ihr Verdienst mit beigetragen haben würde zu den Wirkungen der Sakramente und somit auf das Anrufen ihrer Namen hin Sakramente geheiligt worden wären, sie auch selber hätten Sakramente einsetzen können und ebenso die Wirkung der Sakramente hervorbringen ohne Anwendung der sakramentalen Form und Materie. Denn wie die Hand ihre Kraft, je stärker sie ist desto tiefer dem Stocke einprägen kann, so vermag ein mit der Person Gottes verbundenes Werkzeug, wie die Menschheit Christi, je stärker es ist desto mehr seine Kraft mitzuteilen dem getrennten Werkzeuge, wie dies die Spender oder ministri der Sakramente sind.
c) I. Nicht aus Neid, sondern um des Nutzens der gläubigen willen hat Christus diese seine hervorragende, Ihm als Menschen zukommende Gewalt, die potestas excellentiae, den Dienern der Kirche nicht mitgeteilt; damit die gläubigen ihre Hoffnung nicht auf einen Menschen setzten und damit nicht verschiedene Sakramente in der Kirche beständen, deren Folge Spaltungen gewesen wären; wie dies dort der Fall war, wo die gläubigen sagten: „Ich bin des Cephas; ich aber gehöre zu Apollo“ (1. Kor. 1.). II. Dieser Einwurf spricht von der selbständigen Vollgewalt, welche Christo zukommt, insoweit Er Gott ist. III. Damit nicht viele Häupter in der Kirche seien, wollte Christus als Mensch seine hervorragende Gewalt nicht anderen mitteilen. Hätte Er aber dieselbe mitgeteilt, so wäre Er selbst immerhin das erste Haupt; die anderen wären es erst in zweiter Linie.
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