Sechster Artikel. Nach der Konsekration bleibt nicht die substantiale Wesensform des Brotes.
a) Dieselbe bleibt. Denn: I. Die Accidentien bleiben. Da aber das Brot etwas von menschlicher Kunstfertigkeit Hergestelltes ist, so ist auch seine Wesensform ein Accidens, etwas nämlich zum natürlichen Wesen Hinzutretendes; wie zur Leinwand die Form des Gemäldes tritt. Also bleibt sie. II. Die Form des Leibes Christi ist die Seele. Es kann aber nicht gesagt werden, daß die Form des Leibes zu Christi Seele werde. Also bleibt sie. III. Eine eigene Thätigkeit entspricht der substantialen Form. Was aber übrig bleibt in diesem Sakramente nährt; und es wirkt Alles, was sonst das Brot wirkt. Also bleibt die substantiale Wesensform des Brotes. Auf der anderen Seite gehört die substantiale Wesensform zur Substanz des Brotes. Diese aber wird zu Christi Leib.
b) Ich antworte, die substantiale Wesensform des Brotes könne nicht zugleich mit den Accidentien bleiben: Denn 1. würde dann der bloße bestimmbare Stoff des Brotes in Christi Leib verwandelt werden; und so würde er nicht verwandelt in Christi Leib, sondern in den bestimmbaren Stoff von Christi Leib; was gegen die Form ist: „Das ist mein Leib.“ 2. Bliebe die substantiale Wesensform des Brotes, so würde sie im Stoffe des Brotes verbleiben oder getrennt von selbem. Das Erstere ist nicht möglich, da in diesem Falle eben die ganze Substanz des Brotes die nämliche bleiben würde, insofern jede Form nur in dem ihr eigens entsprechenden Stoffe sich findet. Das Zweite ist gegen die Vernunft, da jede vom Stoffe gelöste Form Gegenstand des vernünftigen Erkennens ist und auch selber vernünftig erkennt. 3. Die Accidentien bleiben in diesem Sakramente, damit unter ihnen Christus gesehen werde; nicht aber unter der eigenen Gestalt.
c) I. Nichts steht dem entgegen, daß durch die Kunstfertigkeit etwas hergestellt werde, deffen Wesensform nicht ein Accidens, sondern natürliche substantiale Wesensform ist; wie durch Kunst hergestellt werden können Frösche und Schlangen (vgl. Moses im Exodus mit den Magiern). Denn eine solche Form wird von der Kunst nicht durch eigene Kraft hervorgebracht, sondern durch die Kraft der natürlichen Principien (des Samens). Und so bringt die Kunst hervor die substantiale Form des Brotes; indem durch die Kraft des natürlichen Feuers gekocht wird der aus Mehl und Wasser bestehende Stoff. II. Die Seele ist die Wesensform des Körpers, indem sie ihm alles thatsächliche Sein giebt, nämlich das Körpersein, das Sinnbegabtsein etc. Die Wesensform des Brotes also geht über in die Wesensform des Leibes Christi, insoweit sie verleiht das bloße Körpersein; nicht insoweit sie verleiht das Sinnbegabtsein oder Lebendigsein. III. Manche Wirksamkeiten der Accidentien finden sich nach der Konsekration, wie z. B. die Eindrücke auf den Sinn, welche auf Grund der Accidentien selber geschehen. Manche andere aber folgen den Accidentien auf Grund des vorhandenen Stoffes wie: sich verwandeln in etwas Anderes; oder auf Grund der substantialen Wesensform, wie daß das Brot festige das Herz des Menschen. Und dergleichen Wirksamkeiten werden den Accidentien in diesem Sakramente wunderbarerweise (vgl. unten Kap. 77.).
