Erster Artikel. Die Accidentien bleiben nach der Konsekration ohne Subjekt.
a) Das scheint unmöglich. Denn: I. In diesem Sakramente der Wahrheit zumal darf nichts Unnatürliches sich finden oder auf Täuschung Berechnetes. Gegen die von Gott ihnen gegebene Natur der Accidentien aber ist es, wenn sie ohne ein Subjekt dastehen, dem sie innewohnen und das sie tragen. Zudem sind von Natur gleicherweise die Accidentien oder außen hervortretenden Eigenschaften eines Dinges dazu da, um über die innere Natur desselben Dinges zu belehren. Beständen also im Altarssakramente die Accidentien ohne Subjekt, so wäre dies gegen die Natur und deren Ordnung und zudem würde es ein Mittel sein, um zu täuschen. II. Auch durch ein Wunder kann es nicht geschehen, daß ein Wesen von seiner eigenen Begriffsbestimmung getrennt oder daß ihm zukomme die Begriffsbestimmung eines anderen Wesens; wie z. B. wenn ich sagen wollte, der Mensch bleibe Mensch und sei ein unvernünftiges Tier. Denn das hieße ebensoviel wie sagen, daß zwei einander wie Sein und Nichtsein entgegengesetzten Dinge zugleich dasselbe Ding bildeten; was nämlich der Name bezeichnet, das drückt die Begriffsbestimmung aus und umgekehrt, nach 4 Metaph. Nun gehört es zur Begriffsbestimmung des Accidens oder einer Eigenschaft, einem Dinge als dem Träger oder Subjekte innezuwohnen; der Substanz kommt es begrifflich zu, für sich und in keinem Subjekte als dem Träger zu sein. Also kann es durch ein Wunder selber nicht geschehen, daß die Accidentien in der Eucharistie für sich bestehen bleiben ohne Subjekt. III. Ein Accidens wird zu etwas Einzelnem dadurch, daß es einem Dinge als dem Subjekte innewohnt. Bestehen also die Accidentien in der Eucharistie ohne Subjekt; so sind sie etwas Allgemeines und somit nur der Vernunft, nicht den Sinnen zugänglich. IV. Diese Accidentien oder äußeren Eigenschaften werden nicht durch die Konsekration etwas Zusammengesetztes. Vor der Konsekration aber waren sie weder aus Stoff und Form, noch aus Vermögen und thatsächlichem Sein (potentia et actus) zusammengesetzt. Verlieren sie also ihre Zusammensetzung mit dem Dinge, dem sie als dem tragenden Subjekte, als dem bestimmbaren Momente, innewohnen; so sind sie einfacher wie die Engel, die doch aus Vermögen und thatsächlichem Sein, aus Potenz und Akt, zusammengesetzt sind; und somit sind sie wiederum nicht mehr sinnlich wahrnehmbar. Auf der anderen Seite sagt Gregor in einer Osterhomilie: „Die sakramentalen Gestalten sind die Namen derjenigen Dinge, welche vorher da waren,“ nämlich des Brotes und Weines. Da also die Substanz von Brot und Wein nicht zurückbleibt, so bleiben diese Accidentien ohne Subjekt.
b) Ich antworte, diese Accidentien von Brot und Wein, welche nach der Konsekration jedenfalls sinnlich wahrnehmbar, wie der Augenschein lehrt, zurückbleiben, seien nicht wie in ihrem Subjekte oder Träger in der Substanz des Brotes und Weines, die nicht zurückbleibt; sie sind auch nicht in der rein bestimmenden Wesensform von Brot und Wein, die, wenn sie zurückbliebe, doch dergleichen Accidentien nicht tragen könnte (Boëtius 1. de Trin.). Sie sind desgleichen nicht in der Substanz des Leibes und Blutes Christi, da der Körper des Herrn, abgesehen von allem Anderen, glorreich ist und nicht Subjekt sein kann für vergängliche Eigenschaften. Sie können auch nicht wie in ihrem Subjekte in der umgebenden Luft sein. Denn 1. ist die Luft für derartige Eigenheiten nicht empfänglich; — 2. sind diese Accidentien nicht da, wo Luft ist, vielmehr vertreiben sie durch ihre Gegenwart insoweit die Luft; — 3. gehen sie nicht von einem Träger oder Subjekte zu einem anderen über, insofern sie nämlich, während sie ein Accidens oder eine solche Eigenschaft und somit der Zahl nach ein und dasselbe bleiben, nun diesem Dinge innewohnten nun jenem; nimmt doch eben eine solche Eigenschaft es von ihrem Subjekte, daß sie eine einzelne, also etwas Zählbares ist; — 4. wird die Luft der ihr eigenen Accidentien oder Eigenschaften nicht beraubt, so daß sie im genannten Falle eigene hätte und fremde und noch dazu einander sich entgegenstehende. Man kann auch nicht sagen, dies geschähe durch die Kraft der Konsekration, da die Worte der Konsekration nichts davon sagen und doch nur wirken, was sie bezeichnen. Also bleibt nichts Anderes übrig, als daß die Accidentien in diesem Sakramente ohne Subjekt stehen bleiben. Dies kann aber durch göttliche Kraft geschehen, da die Wirkungen mehr von der ersten Ursache abhängen wie von einer näheren und untergeordneten. Gott kann als Ursache der Substanz und des Accidens durch seine unendliche Kraft das Accidens im Sein bewahren, trotzdem Er die Substanz, durch welche das Accidens als durch die ihm speciell eigens entsprechende nähere Ursache im Sein bewahrt wurde, entfernt; ebenso wie Er auch alle anderen Wirkungen der natürlichen Ursachen ohne diese Ursachen hervorbringen kann, z. B. den menschlichen Leib im Schoße der Jungfrau formen ohne männlichen Samen.
c) I. Wie das bei der Auferweckung von toten u. dgl. zu sehen ist, kann etwas gemäß einem speciellen Vorrechte der Gnade geschehen, was außerhalb der gewöhnlichen Ordnung in der Natur ist. Also sind wohl gemäß dem gewöhnlichen Laufe der Natur die Accidentien in ihrem Träger oder Subjekte; aus einem besonderen Grunde aber sind sie hier, infolge der Ordnung der Gnade, ohne Subjekt. II. Da „das Sein“ als solches im allgemeinen keine „Art“ ist; so kann dies selbst, das „Sein“ also, nicht die Wesenheit bilden von der Substanz und vom Accidens. Das ist also nicht die Begriffsbestimmung der Substanz: „Sein für sich ohne Subjekt“; und das ist nicht die Begriffsbestimmung des Accidens: „Sein im Subjekt“. Vielmehr muß man sagen, es gebühre dem Wesen der Substanz, daß dies im Vermögen der Substanz liege, ohne Subjekt, also für sich zu sein; — und es gebühre dem Wesen des Accidens, daß dieses das Vermögen habe, im Subjekt nur zu sein. In diesem Sakramente wird es aber den Accidentien nicht gegeben, daß sie kraft ihres Vermögens, weil dies ihnen so gebührt, ohne Subjekt sind; sondern die göttliche Kraft hält sie in dieser Weise aufrecht. Also hören sie nicht auf, Accidentien ihrer Natur nach zu sein. Es wird von ihnen nicht ihre Begriffsbestimmung getrennt, die darin besteht, daß sie geeignet sind, Sein zu haben in einem Dinge als ihrem Subjekt. Diese Natur bleibt immer denselben; denn diese Natur besagt kein thatsächliches stetes Innewohnen. Und auch der Substanz bleibt ihre Begriffsbestimmung, nach welcher sie geeignet ist, fürsichzubestehen und nicht geeignet ist, während sie Substanz bleibt, einem anderen Sein als dem Träger wie eine Eigenschaft innezuwohnen. III. Diese Accidentien erhielten ihren Einzelbestand durch die Substanz des Brotes und Weines. Ist diese umgewandelt, so erhält dieselben in diesem Sein die göttliche Kraft und demnach bleiben sie einzelne und den Sinnen zugängliche. IV. Diese Accidentien hatten kein Sein, während die Substanz von Brot und Wein verblieb; sondem diese, ihr Träger, die Substanz also hatte das betreffend Sein durch sie. So hat die Weiße kein Sein im Schnee; sondern der Schnee ist weiß durch die Weiße. Nach der Konsekration aber haben sie „Sein“ und sind zusammengesetzt aus Vermögen und thatsächlichem Sein, aus Potenz und Akt, wie die Engel; nur haben sie dazu noch die Zusammensetzung der Teile ihres Umfanges.
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