Zweiter Artikel. Der Umfang ist das Subjekt oder der Träger der übrigen Accidentien.
a) Dem wird widersprochen. Denn: I. Das eine Accidens kann nicht Subjekt oder Träger des anderen sein; dazu gehört sich der Stoff, dem es allein zukommt, unterworfen zu sein. Der Umfang aber ist eine bestimmende Form oder ein reines Accidens. Also kann er nicht Subjekt sein der anderen Accidentien. II. Wie der Umfang, so haben auch die anderen Accidentien ihren Einzelbestand von der Substanz her. Bleibt also der Umfang etwas Einzelnes nach der Konsekration gemäß dem vorherigen Sein, so bleiben dies aus dem ganz gleichen Grunde die anderen Accidentien. Also haben diese Accidentien ihr Einzelsein nicht vom Umfange her; und somit ist dieser nicht ihr Träger oder Subjekt, da nur vom Subjekt her ein Accidens seinen Einzelbestand hat. III. Unter den anderen Accidentien ist auch das Dichte und Dünne, welche bleiben und sinnlich wahrgenommen werden. Diese aber können nicht sein im Umfange, der außerhalb des Stoffes besteht. Denn das Dünne hat wenig vom Stoffe und einen großen Umfang, während das Dichte viel vom Stoffe hat und einen verhältnismäßig kleinen Umfang (4 Physic.). Also. IV. Ein von der Substanz getrennter Umfang scheint nichts Anderes zu sein wie eine mathematische Größe, die da Sitz von sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften, wie Farbe, Süße u. dgl. nicht sein kann. Also. Auf der anderen Seite sind solche Eigenschaften nicht teilbar außer auf Grund des Subjekts, dem sie innewohnen. Nun werden die zurückbleibenden Eigenschaften in diesem Sakramente geteilt vermittelst der Teilung dem Umfange nach; wie sich der Sinn überzeugen kann. Also ist der Umfang Sitz oder Subjekt für die bestehenbleibenden Accidentien.
b) Ich antworte, es sei durchaus notwendig zu sagen, daß die anderen Accidentien, die in der Eucharistie zurückbleiben, ihren Sitz oder ihr tragendes Subjekt haben im Umfange. Denn 1. sehen wir es, wie etwasUmfangreiches farbig sei, süß sei etc. Es ist 2. der Umfang das Erste, was bestimmend zum substantiell bestehenden Stoffe tritt, wie ja auch Plato als die ersten Unterscheidungsmerkmale des Stoffes das „Große“ und „Kleine“ aufstellte (1 Metaph.). Weil nun Subjekt oder Sitz von Accidentien an erster maßgebender Stelle der substantiell bestehende Stoff ist, so haben alle anderen Accidentien erst Beziehung zu diesem ihrem Subjekt vermittelst des Umfanges. So ist z. B. das erste Subjekt oder der erste Sitz der Farbe die Oberfläche; und erst vermittelst derselben werden die Farben Eigenschaften der Körper. Deshalb haben auch manche angenommen, der Umfang sei die Substanz selber eines Körpers (1 Meetaph.). Weil also nach der Konsekration alle Accidentien bleiben mit dem „Sein“, was sie vorher hatten; so folgt, daß sie alle begründet bleiben im Umfange. 2. Weil solch ein Träger oder Subjekt nun zudem das Princip ist, weshalb die Accidentien Einzelbestand haben; so muß Jenes, was als Subjekt nach der Konsekration dienen soll, in irgend einer Weise Princip sein für den Einzelbestand. Nun ist der Umfang ein solches Princip für das Einzelbestehen. Denn zum Charakter des einzelbestehenden Dinges gehört, daß es nicht in mehreren sein könne. Und das vollzieht sich in doppelter Weise:
a) so, daß das betreffende Wesen gar nicht geeignet sei, in etwas zu sein, einem Anderen innezuwohnen; danach sind Einzelwesen die aus sich heraus fürsichbestehenden und vom Stoffe getrennten Formen, welche durch sich selbst Einzelbestand haben; —
b) so, daß eine substantiale oder accidentielle Form wohl geeignet sei, in etwas zu sein, nicht aber in mehreren, wie diese Weiße ist in diesem Körper. Mit Rücksicht auf die erstgenannte Art und Weise ist der Stoff Princip des Einzelbestehens für alle innewohnenden Formen; denn da solche Formen von sich aus geeignet sind, in etwas innezuwohnen wie in einem Subjekt oder Träger, so erhalten sie es durch den Stoff, der nicht in etwas Anderem sein kann, sobald sie in ihm aufgenommen sind, daß sie so existierend nicht mehr in etwas Anderem sein können, also als solche unmitteilbar sind; sie sind dann wie die fürsichbestehenden reinen Formen. Mit Rücksicht auf die zweitgenannte Art und Weise ist der Umfang das Princip für das Einzelbestehen. Denn deshalb ist etwas geeignet, nur in etwas Einem allein zu sein mit Ausschluß alles Anderen, weil dieses in sich ungeteilt ist und geschieden von allem Anderen. Das Geteiltwerden aber kommt der Substanz zu auf Grund des Umfanges (1 Physic.). Also ist der Umfang für sich bereits ein gewisses Princip des Einzelseins; insoweit nämlich der Zahl nach verschiedene Formen sich finden in den verschiedenen Teilen des Stoffes. Deshalb hat der Umfang selber bereits für sich betrachtet ein gewisses Einzelsein, so daß wir uns vorstellen können mehrere Linien von der nämlichen Gattung, die nur unterschieden und somit einzelne sind durch die Lage, also durch etwas, was einzig den Charakter des Umfanges trägt, da es dem Umfange seiner Natur nach zukommt, eine Lage zu haben. Also kann vielmehr der Umfang Sitz oder Subjekt für die anderen Accidentien sein wie umgekehrt.
c) l. Das eine Accidens ist nicht Sitz eines anderen, weil es eben nicht für sich allein besteht. Insoweit aber ein Accidens in etwas Anderem als dem Sitze oder Subjekt ist, kann das eine Accidens Subjekt sein für das andere, weil vermittelst desselben das andere dem Subjekt innewohnt, wie vermittelst der Oberfläche die Farbe dem Körper innewohnt und so die Oberfläche als Subjekt für die Farbe bezeichnet wird. Wenn aber göttliche Kraft es dem Accidens verleiht, daß es fürsichbesteht, so kann es auch Subjekt sein oder Sitz für ein anderes Accidens. II. Die anderen Accidentien werden einzelne durch die Substanz vermittelst des Umfanges. Ist also die Substanz nicht mehr da, so ist ganz gut der Umfang Sitz der anderen Accidentien. III. „Dünn“ und „dick“ sind gewisse Eigenschaften, welche den Körpern folgen aus dem Grunde weil diese mehr oder minder Stoff haben unter dem nämlichen Umfange; wie ja auch andere Accidentien folgen aus den Principien der Substanz. Gleichwie also, nachdem die Substanz entfernt worden, die anderen Accidentien durch Gottes Kraft bewahrt bleiben; so bleiben auch, nachdem der Stoff entfernt worden, jene Accidentien, welche dem Stoffe folgten, wie „dicht“ und „dünn“. IV. Der mathematische Umfang sieht ab vom sinnlich wahrnehmbaren Stoffe (7 Metaph.), nicht vom Stoffe als einem Gegenstände vernünftiger Kenntnis. Sinnlich wahrnehmbar aber wird der Stoff genannt, insofern er sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften unterliegt. Also ist der Umfang, um den es sich hier handelt, offenbar keine mathematische Größe.
