Fünfter Artikel.
Der Wille wird nicht bewegt von den Himmelskörpern her.
a) Dies scheint doch der Fall zu sein. Denn: I. Verschiedenartige und mannigfache Bewegungen lassen sich zurückführen wie auf ihre Ursache auf eine gleichförmige und durchaus einheitliche Bewegung. (8 Physic.) Die menschlichen Handlungen aber sind verschiedenartig und mannigfach; sie fangen an, nachdem sie vorher nicht gewesen sind. Also lassen sie sich zurückführen wie auf ihre Ursache auf die Bewegung der Himmelskörper, die immer sich gleichförmig ist und stets dieselbe bleibt. II. „Die niedrigeren Körper werden“ nach Augustin (3. de Trin. 4.) „in Bewegung gesetzt von den höheren“. Die Bewegung des menschlichen Körpers aber, welche vom Willen ausgeht, könnte nicht wie in ihre Ursache zurückgeführt werden in die Bewegung der Himmelskörper, wenn nicht der Wille selbst von letzterer beeinflußt würde. Also. III. Durch die Beobachtung der Himmelskörper sagen die Astrologen manches Wahre voraus rücksichtlich der zukünftigen menschlichen Handlungen, die vom Willen ausgehen. Das könnten sie aber nicht, wenn nicht die Himmelskörper den menschlichen Willen in Thätigkeit setzten. Auf der anderen Seite sagt Damascenus (2. de orth. fide 7.): „Die Himmelskörper sind nicht die Ursache der menschlichen Handlungen.“
b) Ich antworte, daß auf jene Weise wie der Wille von seiten des äußerlichen Gegenstandes bewegt wird, er offenbar von seiten der Himmelskörper ebenfalls in Thätigkeit gesetzt werden kann, insofern nämlich die außen befindlichen Körper, die uns umgeben, vermittelst der Auffassung der Sinne den Willen bewegen und insofern die Sinnesorgane selber unter dem Einflüsse der Himmelskörper stehen. Es giebt jedoch deren, die da meinten, auch auf jene Weife, wie der Wille vom handelnden Subjekte aus zur Ausübung seiner Wirksamkeit, ob er nämlich überhaupt in Thätigkeit trete oder nicht, bewegt wird, hätten die Himmelskörper Einfluß und bethätigten so den menschlichen Willen. Das aber ist völlig unmöglich. Denn der Wille ist (3. de anima) in der Vernunft und die Vernunft ist kein Vermögen, welches an ein körperliches Organ in seiner wesentlichen Thätigkeit gebunden wäre. Der Wille ist also ein vollständig stofflofes, unkörperliches Vermögen. Offenbar aber kann nichts Körperliches von sich aus einwirken auf etwas Körperloses. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall; denn die stoff- und körperlosen Dinge haben höhere bestimmende und eine allgemeinere Kraft wie beliebige körperliche D:nge. Unmittelbar und aus sich somit kann kein Himmelskörper einwirken in die Vernunft oder den Willen. Deshalb sagt Aristoteles (II. de anima) mit Recht, die Meinung derer, welche annehmen, „so beschaffen sei der Wille in den Menschen, wie von Tag zu Tag ihn einprägt der Vater der Götter und der Menschen,“ nämlich die Sonne, sei gleichbedeutend mit jener anderen, nach welcher die Vernunft nicht unterschieden sei von den Sinnen. Denn alle Sinneskräfte sind auf Grund der körperlichen Sinnesorgane,an die sie gebunden sind, dem Einflüsse zugänglich, der von der Bewegung der Himmelskörper auf die stoffliche Welt hin ausgeht. Insofern jedoch, wie oben gesagt, die vernünftige Begehrkraft gewissermaßen beeinflußt wird vom sinnlichen Begehren, dringt der Einfluß der Himmelskörper und ihrer Bewegung mittelbar oder indirekt bis zum menschlichen Willen vor; insofern es sich trifft, daß durch die Leidenschaften, des sinnlichen Teiles der Wille bewegt wird.
c) I. Die vielgestalteten Bewegungen des menschlichen Willens lassen sich allerdings auf eine stets sich gleichbleibende Ursache zurückführen; die aber höher steht als Vernunft und Wille im Menschen. Das kann nun kein Körper sein; sondern es muß als solche Ursache eine höher stehende Substanz angenommen werden, also nicht ein Himmelskörper mit seiner Bewegung. II. Die Bewegungen des menschlichen Körpers werden wie in ihre Ursache auf die Bewegung der Himmelskörper zurückgeführt, insoweit die Verfassung und Beschaffenheit der stofflichen Organe in etwa dem Einflüsse zugänglich ist, welcher von der Bewegung der Himmelkörper ausgeht; undinsoweit das sinnliche Begehren dem gleichen Einflüsse untersteht; und noch weiter insoweit die außen befindlichen Körper gemäß der Bewegung der Himmelskörper in Bewegung sind und aus deren Zusammentreffen der Wille anfängt, etwas zu wollen; wie z. B. wenn der Winter kommt, jemand anfängt, den Willen zu haben, daß Feuer gemacht werde. Doch diese Bewegung des Willens hält sich von seiten des Gegenstandes, der außen vorgelegt wird; sie geht nicht von einem inneren Anstoße aus. III. Das sinnliche Begehren ist die Thätigkeit eines körperlichen Organs. Es steht dem also nichts entgegen, daß infolge des wirkenden Einflusses von den Himmelskörpern her manche zum Zorne oder zur Begierlichkeit hingeneigt sind oder ähnlichen Leidenschaften; wie ja auch der natürlichen Komplexion des Körpers zufolge viele Menschen ihren Leidenschaften nachlaufen, denen die Weisen allein Widerstand leisten. Und deshalb bewahrheiten sich bei zahlreichen Menschen die Voraussagungen, welche gemäß der Betrachtung der Himmelskörper gemacht werden. „Der Weise aber beherrscht die Gestirne,“ sagt Ptolemäus im Centiloquium. Denn kraft seines freien Willens, welcher in keiner Weise dem Einflüsse der Sternenwelt unterliegt, widersteht er den Leidenschaften; und hindert so die Einwirkung, welche von der Bewegung der Himmelskörper ausgeht. Oder man kann mit Augustin sagen (2. sup. Gen. ad litt. 17.): „Wenn die Astrologen Wahres verkünden für die Zukunft, so muß man bekennen, daß dies kraft eines gewissen, überaus geheimen Instinktes geschieht, dessen Einflusse der Geist der Menschen unter-Uegt, ohne daß sie es selbst wissen; wird aber solches vorhergesagt, um die Menschen zu täuschen, so ist dabei vorhanden ein Einwirken verführerischer Geister.“
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