Fünfter Artikel. Die Auswahl richtet sich einzig und allein auf das, was möglich ist.
a) Für die gegenteilige Behauptung, spricht: I. Die Auswahl ist ein Willensakt. Der Wille aber geht (3 Ethic. 2.) auf Mögliches und Unmögliches. II. Die Auswahl berücksichtigt immer das, was durch uns geschieht. Häufig aber können wir nicht vollenden, was wir ausgewählt haben. Also wählen wir wenigstens, was für uns unmöglich ist. Dies kommt aber im gegebenen Falle auf das Gleiche hinaus. III. Nichts versucht der Mensch zu thun außer das, was er gewählt hat. Der heilige Benediktus aber schreibt in seiner Regel c. 68.: „Wenn der Obere etwas Unmögliches vorschreibt, so muß man versuchen, es zu thun.“ Auf der anderen Seite steht die Autorität des Aristoteles, der (3 Ethic. 2.) sagt: „Die Wahl berücksichtigt nur Mögliches.“
b) Ich antworte, unsere Auswahl beziehe sich immer auf unsere Thätigkeiten. Was aber durch uns geschieht, das ist uns möglich. Also bezieht sich die Wahl nur auf Mögliches. Auch der Grund, weshalb wir wählen, weist darauf hin. Denn wir wählen, um den Zweck zu erreichen. Durch Unmögliches aber kann niemand den Zweck erreichen, weshalb die Menschen ja auch mit ihrem Beratschlagen aufhören, wenn sich ihnen etwas Unmögliches vorstellt. Endlich verhält sich das Zweckdienliche, worauf ja die Wahl geht, zum Zwecke wie die Schlußfolgerung zum Princip oder zum Anfange. Eine insich unmögliche Schlußfolgerung aber kann nicht hervorgehen aus einem in sich möglichen Princip. Also kann der Zweck nicht als ein möglicher sich darstellen, wenn nicht das Zweckdienliche dem Bereiche der Möglichkeit angehört. Niemand aber setzt sich in Bewegung nach etwas Unmöglichem hin. Niemand also dürfte nach dem Zwecke streben außer darum, weil, was zum Zwecke führt, möglich ist. Unmögliches also kann nicht Gegenstand des Wählens sein.
c) I. Der Wille steht in der Mitte zwischen der Vernunft und dem Thätigsein, soweit dieses nach außen sich richtet. Denn die Vernunft zeigt dem Willen den Gegenstand; und der Wille verursacht das nach außen gerichtete Thätigsein. So also muß das Princip oder der Beginn der Willensbewegung beachtet werden von seiten der Vernunft, die da etwas erfaßt als im allgemein Guten enthalten oder als am Guten überhaupt Anteil habend. Der Abschluß oder die Vollendung des Willensaktes aber wird beachtet gemäß der Beziehung zum Thätigsein, vermittelst dessen man den Zweck erreichen will. Denn die Willensbewegung geht von der Seele aus zur Sache hin; und sonach wird die Vollendung des Willensaktes erwogen gemäß dem daß etwas zu Wirkendes ein Gut ist für jenen, der thätig ist. Ein solches Gut aber ist etwas Mögliches. Also ist der Wille in seinem durch die Thätigkeit vollendeten Sein betrachtet nur dem Möglichen zugewendet, was da für den Wollenden ein Gut ist. Der Wille aber als unvollendet betrachtet kann sich auch auf das Unmögliche richten, was nämlich jemand thatsächlich wollen würde, wenn es möglich wäre; nicht „voluntas“ heißt er dann, sondern velleitas; nicht ein „ich will“ steht in Frage, sondern ein „ich möchte“. Die Wahl aber bezeichnet den Willensakt bereits als dahin bestimmt, was dieser oder jener als für sich Zukömmliches thun soll; und so ist sie nimmermehr dem Unmöglichen zugewandt. II. Der Gegenstand des Willens ist ein Gut, insoweit es aufgefaßt ist. Wie also der Wille bisweilen zu einem Gute hingewendet ist, was als Gut aufgefaßt erscheint, kein wahres Gut aber in Wirklichkeit ist, so geht die Wahl bisweilen auf das, was als möglich für den Wählenden von diesem aufgefaßt wird, es in Wirklichkeit aber nicht ist. III. Dies wird vom heiligen Ordensvater deshalb gesagt, weil der Untergebene nicht nach seinem eigenen Urteile bestimmen darf, ob etwas möglich sei oder nicht; sondern er muß dem Urteile des Oberen sich anbequemen.
