Erster Artikel. „Güte“ oder „Bosheit“ ist in erster Stelle und in leitender Weise im innerlichen Willensakte.
a) Dies scheint nicht der Fall zu sein. Denn: I. Der Wille hat seine Güte vom Gegenstande her. Der äußerliche Willensakt aber ist Gegenstand für den innerlichen; denn man sagt, daß wir den Diebstahl wollen oder Almosen geben wollen. Also auf Grund des äußeren Aktes als des Gegenstandes ist der innerliche gut; und somit ist die moralische Güte zuerst im äußeren Akte; und erst auf Grund dessen im innerlichen. II. Das „Gute“ ist vor allem im Zwecke; denn was dem Zwecke nur dient, hat den Charakter des Guten kraft der Beziehung zum Zwecke. Der innerliche Willensakt aber kann nicht Zweck sein, wie oben gesagt Kap. 1, Art. 1. ad II.; wohl aber kann die Thätigkeit eines anderen Vermögens Zweck sein. Also an erster und leitender Stelle ist das Gute in der Thätigkeit eines anderen Vermögens und nicht in der des Willens. III. Der innerliche Willensakt ist im Verhältnisse zum äußeren Akte das formale, bestimmende Element. Was aber bestimmend ist, das kommt später wie das entsprechende Bestimmbare; denn die bestimmende Form tritt zu dem bereits bestehenden bestimmbaren Vermögen des Stoffes hinzu. Also ist das Gute zuerst im äußerlichen Akte, dem bestimmbaren; und nicht im inneren, dem bestimmenden. Auf der anderen Seite sagt Augustin (I. Retr. 9.): „Der Wille ist es, wodurch gesündigt wird und wodurch man recht lebt.“ Also das moralisch Gute und Böse besteht zuerst im Willen.
b) Ich antworte, einzelne äußere Thätigkeiten können als gut oder schlecht in doppelter Weise bezeichnet werden: einmal gemäß ihrer Art und den sich vorfindenden Umständen betrachtet, wie z. B. Almosengeben unter den gebührenden Umständen als „gut“ bezeichnet wird; — dann gemäß der Beziehung zum Zwecke; wie Almosengeben aus Eitelkeit als schlecht bezeichnet wird. Da nun der Zweck der dem Willen eigene Gegenstand ist, so erscheint es ganz offenbar, daß dieser letztere Grund von „gut“ und „schlecht“, den der Akt auf Grund der Beziehung zum Zwecke hin besitzt, zuerst im inneren Willensakte sich findet und von da her sich ableitet zum äußeren Akte hin. Jene Güte oder Bosheit aber, welche der äußerliche Akt an und für sich auf Grund des gebührenden Gegenstandes und der Umstände hat, leitet sich nicht so sehr von dem Willen als von der Vernunft ab. Wird also die Güte des äußeren Aktes betrachtet als unter der Auffassung und derOrdnung der Vernunft befindlich, so ist sie früher als die des innerlichen Willensaktes. Wenn sie aber betrachtet wird als in der wirksamen Ausführung befindlich, so folgt die Güte im äußeren Akte der des inneren Willensaktes, und die des letzteren ist das Princip der Güte im ersteren.
c) I. Der äußere Akt als ein durch die Vernunft erfaßtes und geregeltes Gut ist dem Willen als Gegenstand vorgelegt; und danach ist er in erster Linie als „gut“ zu bezeichnen und der Willensakt ist gut auf Grund dieser Güte. Insoweit aber die Güte des äußeren Aktes besteht in der wirklichen Ausführung, ist sie eine Wirkung des Willens und folgt diesem nach. II. Der Zweck ist früher in der Absicht; und später in der Ausführung. III. Die Form, soweit sie im Stoffe sich findet, ist zwar später auf dem Wege des Erzeugens oder des Ausführens als der Stoff; sie ist aber früher der Natur d. h. der Absicht nach. Insofern sie jedoch in der wirkenden Ursache sich vorfindet, ist sie allewege früher. Der Wille nun steht zum äußeren Akte im Verhältnisse der einwirkenden Ursache. Also die Güte im inneren Willensakte ist die bestimmende Form für den äußeren Akt, nämlich als in der einwirkenden Ursache befindlich.
