Sechster Artikel. Der nämliche äußere Akt kann nicht gut und schlecht sein.
a) Das Gegenteil wird so erwiesen: I. Eine ununterbrochene Bewegung ist eine einige; wie Aristoteles (5 Phys.) sagt. Die eine einige fortgesetzte Bewegung zur Kirche aber z. B. kann gut im Anfange sein, wenn dabei an die Ehre Gottes gedacht wird; und schlecht am Ende, wenn man sie aus eitlem Ruhme macht. Also. II. „Thätigsein und den Erfolg des Thätigseins in sich aufnehmen ist eine einige Thätigkeit,“ (3 Phys.) sagt Aristoteles. Das Leiden Christi aber z. B. war gut und das Thätigsein der Juden dabei schlecht. Also eine einige Thätigkeit kann gut und schlecht sein. III. Der Knecht ist gleichsam das Werkzeug des Herrn und somit ist seine und des Herrn Thätigkeit eine einzige; wie die Thätigkeit des Künstlers und seines Werkzeuges. Das Thätigsein des Knechtes aber kann aus schlechtem Willen hervorgehen und das des Herrn aus gutem Willen. Also eine einige Thätigkeit ist gut und schlecht. Auf der anderen Seite können Gegensätze nicht in ein und demselben Subjekte sein. „Gut“ und „Schlecht“ aber sind Gegensätze.
b) Ich antworte, es könne etwas, insofern es in einer Seinsart sich findet, eines sein; und je nachdem es auf eine andere Seinsart bezogen wird, vielfach. So ist die Oberfläche als zusammenhängende eine einige gemäß der Seinsart der Quantität; ist sie aber halb schwarz halb weiß, so ist sie etwas Vielfaches in der Seinsart der Farbe. Danach kann ganz wohl die Thätigkeit eine einige sein, bezogen auf die Seinsart der Natur; und eine vielfache, bezogen auf das Moralische; und umgekehrt. Der nämliche Spaziergang z. B. ist ein einiger innerhalb des natürlichen Seins betrachtet; und er ist ein vielfacher in der Seinsart des Moralischen, wenn der Wille und die Absicht des Wandelnden sich ändert. Ist also ein einiger Akt vorhanden im Bereiche des Moralischen, so kann er nicht gut und schlecht sein; ist derselbe ein einiger nach der Seinsart der Natur, so kann er gut und schlecht sein.
c) I. Damit ist auf I. geantwortet. II. Leiden und Einwirken gehören zum Moralischen, soweit der freie Wille, also die Absicht in Betracht kommt. Sind also die Absichten verschieden, so kann von einer Seite her das Gute bestehen und von der anderen das Schlechte. III. Insoweit die Thätigkeit des Knechtes vom Willen desselben ausgeht, ist es keine Thätigkeit des Herrn; und somit macht sie der schlechte Wille des Knechtes nicht zu einer schlechten für den Herrn, wenn dieser guten Willen hat.
