Zweiter Artikel. Nicht die ganze Güte oder Bosheit des äußeren Aktes hängt ab von der Güte oder Bosheit des willens.
a) Das Gegenteil scheint anzudeuten: I. Der Heiland, wenn er sagt (Matth. 7.): „Es kann nicht ein guter Baum schlechte Früchte bringen und ein schlechter Baum gute.“ Hier wird nach der Glosse aus Augustin (1. Contra Julian 8.) unter dem Baume der innere Wille verstanden und unter den Früchten die Werke. Also es kann der innere Wille nicht gut sein und das äußere Thätigsein schlecht. II. Augustinus schreibt (1. Retr. 9.): „Nur auf Grund des Willens wird gesündigt.“ Ist also die Sünde nur im Willen, so wird sie nicht im äußerlichen Akte sein; und also wird Alles, was gut ist am äußeren Akte, von der Güte des Willens abhängen. III. Das „Gute“ und „Böse“, wovon jetzt die Rede, sind Wesensunterschiede für die moralische Thätigkeit. Wesensunterschiede aber teilen von sich aus, ohne Rücksicht auf etwas Äußerliches, die betreffende Seinsart in ihre Gattungen. (7 Metaph.) Da also die moralische Thätigkeit moralisch ist, weil freiwillig, so scheint „Gut“ und „Böse“ nur mit Rücksicht auf den inneren Willensakt ausgesagt werden zu können. Auf der anderen Seite schreibt Augustin contra mendac. 7.): „Es giebt Manches, was vermittelst keines guten Zweckes und vermittelst keines guten Willens zu etwas Gutem werden kann,“
b) Ich antworte, im äußeren Akte müsse eine doppelte Güte oder Bosheit berücksichtigt werden: einmal gemäß dem vorliegenden Gegenstande und den Umständen; dann auf Grund der Zweckordnung. Und zwar hängt die Güte nach der letztgenannten Seite hin ganz vom inneren Willen ab; und, soweit es den Gegenstand oder die Materie und die Umstände betrifft, hängt die Güte im äußeren Akte von der Auffassung und Ordnung der Vernunft ab, von welcher dann wieder die Güte des Willens abhängig ist, denn gemäß der Auffassung der Vernunft richtet er sich auf den Gegenstand. Es ist jedoch wohl zu erwägen, daß, damit etwas schlecht sei, ein einziger Mangel genügt; dagegen, damit etwas gut sei, genügt nicht eine gewisse Art Güte, sondern von jeder Seite her muß es gut sein. Ist also der Wille ein guter sowohl gemäß dem Gegenstande als auch gemäß dem Zwecke, so folgt, daß der äußere Akt ein guter sei. Es genügt aber, damit der äußere Akt gut sei, nicht, daß der Wille bloß gut sei von der Absicht aus. Vielmehr ist der äußere Akt in jedem von beiden Fällen schlecht, mag der Wille nämlich ein schlechter sein vom beabsichtigten Zwecke aus oder von der gewollten Thätigkeit d. h. vom Gegenstande aus.
c) I. Der durch den „guten Baum“ ausgedrückte Wille muß gut sein sowohl dem beabsichtigten Zwecke als auch der gewollten Thätigkeit nach. II. Mit dem Willen sündigt jemand, auch wenn er eine schlechte Thätigkeit will; nicht nur wenn sein Wille auf einen schlechten Zweck sich richtet. III. Freiwillig ist nicht nur der innere Willensakt, sondern auch die äußerliche Thätigkeit, die ihr Princip im Willen und in der Vernunft hat; also bei jeder von beiden Thätigkeiten kann der Unterschied von „gut“ und „böse“ beobachtet werden.
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