2.
Sehr nachteilig für mich war meines Erachtens der Umstand, daß das Kloster, in dem ich mich befand, dem Zutritt auswärtiger Personen nicht verschlossen war. Da man hier keine Klausur gelobte und darum auch zu keiner gröberen Strenge verpflichtet war, so konnten sich andere brave Nonnen der ihnen gestatteten Freiheit, mit Auswärtigen zu verkehren, mit gutem Gewissen bedienen; mich aber, die ich böse bin, würde diese Freiheit sicher in die Hölle geführt haben, hätte der Herr mich nicht durch so viele Mittel und Wege, ja durch ganz besondere Gnaden, die er mir verlieh, aus dieser Gefahr errettet. Daraus schließe ich, daß es überhaupt um die besagte Freiheit in einem Nonnenkloster etwas sehr gefährliches ist. Eine solche Freiheit ist meiner Ansicht nach für jene, die böse sein wollen, mehr ein gebahnter Weg zur Hölle als ein Mittel zur Abhilfe ihrer Schwächen. Man wolle indessen das Gesagte nicht so nehmen, als gelte es meinem Kloster; denn hier befinden sie sehr viele, die dem Herrn in aller Wahrheit und mit großer Vollkommenheit dienen, so daß Seine Majestät in ihrer gewohnten Güte nicht umhin kann, sie mit Gnadenschätzen zu bereichern. Auch gehört dieses Kloster nicht zu jenen, die gar zu offen stehen, und es wird in ihm die klösterliche Zucht vollständig beobachtet. Ich rede hier nur von anderen Klöstern, die mir bekannt sind und die ich gesehen habe. Die Nonnen dieser Klöster bedauere ich sehr. Sollen sie gerettet werden, so ist es notwendig, daß der Herr sie auf besondere Weise rufe, und zwar nicht bloß einmal, sondern oftmals rufe; denn der Genuß weltlicher Ehren und Unterhaltungen besteht hier so zu recht, und die diesen Dingen nachgehen, verstehen so wenig ihre Verpflichtungen, daß Gott gebe, sie möchten das, was Sünde ist, nicht gar noch für Tugend halten, wie ich es selbst oftmals getan habe. Auch ist es so schwer, sie hierin aufzuklären, so daß der Herr selbst sehr ernstlich eingreifen muß. Würden die Eltern meinen Rat befolgen und wäre ihnen das Seelenheil ihrer Töchter nicht gleichgültig, so würden sie doch wenigstens die Ehre (ihrer Familien) berücksichtigen und diese nicht in ein Kloster geben, wo sie auf dem Wege des Heiles größere Gefahr laufen als selbst in der Welt. Sie würden weit besser tun, sie zu verheiraten, und sei es auch weit unter ihrem Stande, als sie in dergleichen Klöstern unterzubringen, wenn sie nicht etwa rum Guten sehr geneigt sind; und da gebe Gott, daß wenigstens noch dies ihre Rettung sei. Ja, lieber würden sie auch noch ihre Kinder zu Hause bei sich behalten; denn wollen diese hier böse sein, so wird es nur kurze Zeit verborgen bleiben können, im Kloster aber sehr lange, bis es der Herr zuletzt doch noch aufdecken wird. Auch schaden sie im Kloster nicht nur sich selbst, sondern allen anderen. Indes haben die armen Kinder zuweilen keine Schuld; denn sie halten sich nur an das Bestehende. Es ist beklagenswert, daß diese bei der guten Absicht, die sie leitet, es ja übel treffen. Sie wollen die Welt verlassen, und indem sie meinen, sie gingen hin, um fern von den Gefahren der Welt dem Herrn zu dienen, befinden sie sich in zehn Welten auf einmal, so daß sie für sich keine Hilfe und keine Rettung wissen; denn ihre Jugend, die Sinnlichkeit und der Teufel laden sie ein und veranlassen sie, Dingen nachzugehen, die von der nämlichen Welt sind, die sie verlassen haben. Und siehe, so geschieht es dann, daß sie diese Dinge sozusagen sogar für gut halten. In dieser Hinsicht kommen sie mir gewissermaßen vor wie die unglücklichen Ketzer. Gleich diesen wollen auch sie blind sein und sich einreden, das, was sie tun, sei gut, und sie seien davon überzeugt, während sie es in Wahrheit doch nicht sind, da eine innere Stimme ihnen zuruft, daß ihre Handlungsweise böse ist.
