9.
Unsere Natur ist so schwach, daß wir trotz unserer Bemerkung, wir hätten in Ertragung der uns zugefügten Beleidigung nichts zu leiden, diese doch fühlen und meinen, dadurch etwas geleistet zu haben, daß wir sie hinnehmen. Um wieviel mehr dann, wenn wir sehen, daß auch andere unseretwegen schmerzlich berührt werden. Auf solche Weise verliert die Seele die Gelegenheit, sich Verdienste zu sammeln, wird schwächer und öffnet dem Teufel die Türe, daß er ein andermal mit einer schlimmeren Versuchung kommen kann. Und wenn eine den Willen hat, erlittenes Unrecht geduldig zu ertragen, so kann auch das geschehen, daß eine andere zu ihr kommt und sagt, ob sie denn ein unvernünftiges Tier sei. So etwas müsse man doch wohl empfinden. O meine Schwestern, möge sich doch um der Liebe Gottes willen keine durch unkluge Liebe verleiten lassen, einer anderen wegen solcher vermeintlichen Unbilden Mitleid zu bezeigen! Es wäre dies jenem Mitleide gleich, das dem heiligen Job von seinem Weibe und seinen Freunden entgegengebracht wurde.
