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Summe der Theologie
Erster Artikel. Eine solche Leitung existiert.
a) Die Körperwelt scheint nicht unter den Engeln zu stehen und von ihnen geleitet zu werden. Denn: I. Die körperlichen Naturen haben bereits von ihrer Natur selber aus eine ganz bestimmte Weise, thätig zu sein. Also bedürfen sie keiner weiteren Leitung. II. Die niedrigen Wesen in dem Bereiche eines Seins werden geleitet von den höheren derselben Seinsart. Unter den Körpern selber aber werden die einen als niedrigere bezeichnet und die anderen als höhere. Also bedarf es keiner Leitung seitens der Engel. III. Die verschiedenen Engelchöre werden unterschieden gemäß den verschiedenen Aufgaben und Verrichtungen, die sie haben. Richtet sich also die Leitung der Engel auf die körperlichen Kreaturen, so müßten ebensoviele Aufgaben oder Verrichtungen der Engel bestehen als es verschiedene körperliche Seinsgattungen giebt. Also beständen auch ebensoviele verschiedene Chöre der Engel als es Seinsgattungen im Bereiche des Körperlichen giebt. Auf der anderen Seite sagt Augustin (3. de Trin. 4.): „Alles Körperliche wird geleitet durch den vernünftigen Geist des Lebens.“ Und Gregor der Große (4. dial. 5.) schreibt: „In dieser Welt geschieht nichts Sichtbares, außer unter und gemäß der Leitung von seiten der unsichtbaren Kreatur.“
b) Ich antworte; in den menschlichen wie in den Verhältnissen der Natur wird gemeinhin dies gefunden, daß jene Macht, welche auf einen besonderen, beschränkten Seinskreis gerichtet ist, geleitet und gelenkt wird von einer allgemeinen Macht; wie z. B. die Macht des Oberhauptes einer Provinz geleitet und gelenkt wird durch die auf das ganze Königreich sich erstreckende Macht des Königs. Und auch bei den Engeln findet diese Regel Anwendung, daß nämlich die höheren Engel, welche den niedrigeren vorstehen, ein mehr auf das Allgemeine gerichtetes Wissen haben. Offenbar aber ist die Kraft eines bloßen Körpers noch mehr beschränkt und auf einen besonderen Seinskreis gerichtet wie die Kraft einer geistigen Substanz. Denn jede Wesensform im körperlichen Stoffe ist durch den Stoff zu einer einzelnen geworden und beschränkt auf ganz bestimmte Zeit- und Ortsverhältnisse; während die geistigen Substanzen von diesen Schranken losgelöst erscheinen und so viel Allgemeinheit behalten, daß sie an und für sich in ihrer Substanz Ertenntnisgegenstände der Vernunft bilden. Wie sonach die niederen Engel, welche weniger umfassende Formen haben, von den höheren geleitet werden, die allgemeiner sind; so wird alles Körperliche geleitet durch die Engel. Und zwar gilt dies als unbestreitbare Wahrheit nicht nur bei den heiligen Lehrern unseres Glaubens; sondern auch bei den Philosophen, welche körperlose Substanzen annahmen.
c) I. Wohl hat jeder Körper von Natur eine ihm eigene Thätigkeit. Aber diese Thätigkeit kann er nicht vollbringen außer insoweit er in Bewegung gesetzt worden. Denn jedem Körper ist es von Natur eigen, daß er nur kraft der Bewegung thätig ist. Es muß also schließlich die körperliche Natur durch die geistige in Bewegung gesetzt werden. II. Dieser Einwurf geht von der Lehre des Aristoteles aus. (3 Metaph.) Derselbe nahm an, daß die Himmelskörper in Bewegung gesetzt werden von geistigen Substanzen; und er suchte deshalb deren Zahl festzustellen gemäß der Zahl der Bewegungen, welche in den Himmelskörpern erscheinen. Er nahm aber keine geistigen Substanzen an, die unmittelbar, d. h. ohne die Vermittlung der Himmelskörper, den niederen irdischen Stoff leiten; außer etwa die menschlichen Seelen. Und das kam daher, weil er nicht erwog, daß noch andere Thätigkeiten im Bereiche der irdischen Körperwelt vor sich gehen außer den natürlichen, zu denen der Einfluß der Bewegung der Himmelskörper genügte. Da wir aber annehmen, daß in der niedrigen Körperwelt Vieles geschieht außerhalb der natürlichen Thätigkeit der Körper, wozu dann die Bewegung der Himmelskörper nicht genügt; so müssen wir zugleich annehmen, daß die Engel nicht nur die Himmelskörper unmittelbar leiten, sondern auch den irdischen Stoff. III. Über die geistigen Substanzen haben die verschiedenen Philosophen verschieden gesprochen. Denn Plato nahm an, die geistigen Substanzen seien die Gattungs- und Wesensformen, die inneren Seinsgründe der Dinge nämlich selber; und somit standen nach ihm die geistigen Substanzen unmittelbar dem niederen wechselvollen Stoffe vor. Aristoteles aber meinte, die geistigen Substanzen seien etwas Höheres und Allgemeineres als die Formen und die Wesenheiten der Dinge; und deshalb wollte er nicht, daß sie den einzelnen Körpern unmittelbar vorstanden,sondern nur den alles Irdisch-Stoffliche umfassenden, allgemeinen Seinsgründen, sowie diese enthalten sind in den Himmelskörpern. Avicenna hat einen Mittelweg eingeschlagen. Mit Plato nahm er eine geistige Substanz an, die unmittelbar die empfangenden, beschränkten im Stoffe waltenden Kräfte leitete; und danach wollte er wie Plato, daß die sinnlich wahrnehmbaren Formen aus geistigen stofflosen Substanzen fließen. Darin aber wich er von Plato ab, daß er nur eine solche Substanz annahm, die alles niedrigere Körperliche hier auf Erden leite, die er dann die „einwirkende Vernunft“ nannte. Die heiligen Lehrer aber behaupteten mit Plato, den verschiedenen körperlichen Seinskreisen hier im irdischen Stoffe seien verschiedene geistige Substanzen vorgesetzt. Denn so sagt Augustin (83. Qq. 79.): „Einem jeden sichtbaren Dinge hier auf Erden ist eine Engelsubstanz vorgesetzt.“ Und Damascenus (2. orth. fide 4.): „Der Teufel war aus jenen Engelkräften, welche dem Bereiche dieser irdischen Dinge vorgesetzt sind.“ Und Origenes zu num. 22. Cum vidisset asina: „Die Welt bedarf der Engel, auf daß sie den Tieren vorstehen und der Geburt der stofflichen lebenden Wesen und der Entwicklung der Pflanzen, Bäume u. s. w.“ Dabei muß man jedoch nicht meinen, daß gemäß seiner Natur der eine Engel geeigneter sei, die Entwicklung der Pflanzen zu leiten und ein anderer mehr für die Natur der Tiere paßt. Denn auch der geringste Engel hat eine bei weitem allgemeinere Kraft als irgend eine Seinsart im Bereiche des Körperlichen. Das kommt vielmehr von der Richtschnur der göttlichen Weisheit, welche den verschiedenen Dingen verschiedene Leiter vorsetzte. Es folgt aus dem Gesagten auch nicht, daß mehr Engelchöre sind wie neun. Denn diese Chöre werden unterschieden auf Grund der Verrichtungen im allgemeinen. So würden also nach Gregor z. B. zu den „Gewalten“ alle Engel gehören, welche den Dämonen vorstehen; und zu den „Kräften“ jene Engel insgesamt, welche alle rein körperlichen Dinge insgesamt leiten; denn durch deren Dienstleistung geschehen bisweilen Wunder.
Edition
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Summa theologiae
Articulus 1
Iª q. 110 a. 1 arg. 1
Ad primum sic proceditur. Videtur quod creatura corporalis non administretur per Angelos. Res enim quae habent determinatum modum operandi, non indigent gubernari ab aliquo praesidente, ideo enim indigemus gubernari, ne aliter operemur quam oporteat. Sed res corporales habent determinatas actiones ex naturis sibi divinitus datis. Non ergo indigent gubernatione Angelorum.
Iª q. 110 a. 1 arg. 2
Praeterea, inferiora in entibus gubernantur per superiora. Sed in corporibus quaedam dicuntur inferiora, quaedam superiora. Inferiora igitur gubernantur per superiora. Non ergo est necessarium quod gubernentur per Angelos.
Iª q. 110 a. 1 arg. 3
Praeterea, diversi ordines Angelorum distinguuntur secundum diversa officia. Sed si creaturae corporales administrantur per Angelos, tot erunt officia Angelorum, quot sunt species rerum. Ergo etiam tot erunt ordines Angelorum, quot sunt species rerum. Quod est contra supra dicta. Non ergo corporalis creatura administratur per Angelos.
Iª q. 110 a. 1 s. c.
Sed contra est quod Augustinus dicit, III de Trin., quod omnia corpora reguntur per spiritum vitae rationalem. Et Gregorius dicit, in IV Dial., quod in hoc mundo visibili nihil nisi per creaturam invisibilem disponi potest.
Iª q. 110 a. 1 co.
Respondeo dicendum quod tam in rebus humanis quam in rebus naturalibus, hoc communiter invenitur, quod potestas particularis gubernatur et regitur a potestate universali; sicut potestas ballivi gubernatur per potestatem regis. Et in Angelis etiam est dictum quod superiores Angeli, qui praesunt inferioribus, habent scientiam magis universalem. Manifestum est autem quod virtus cuiuslibet corporis est magis particularis quam virtus spiritualis substantiae, nam omnis forma corporalis est forma individuata per materiam, et determinata ad hic et nunc; formae autem immateriales sunt absolutae et intelligibiles. Et ideo sicut inferiores Angeli, qui habent formas minus universales, reguntur per superiores; ita omnia corporalia reguntur per Angelos et hoc non solum a sanctis doctoribus ponitur, sed etiam ab omnibus philosophis qui incorporeas substantias posuerunt.
Iª q. 110 a. 1 ad 1
Ad primum ergo dicendum quod res corporales habent determinatas actiones, sed has actiones non exercent nisi secundum quod moventur, quia proprium corporis est quod non agat nisi motum. Et ideo oportet quod creatura corporalis a spirituali moveatur.
Iª q. 110 a. 1 ad 2
Ad secundum dicendum quod ratio ista procedit secundum opinionem Aristotelis, qui posuit quod corpora caelestia moventur a substantiis spiritualibus; quarum numerum conatus fuit assignare secundum numerum motuum qui apparent in corporibus caelestibus. Sed non posuit quod essent aliquae substantiae spirituales quae haberent immediatam praesidentiam supra inferiora corpora, nisi forte animas humanas. Et hoc ideo, quia non consideravit aliquas operationes in inferioribus corporibus exerceri nisi naturales, ad quas sufficiebat motus corporum caelestium. Sed quia nos ponimus multa in corporibus inferioribus fieri praeter naturales actiones corporum, ad quae non sufficiunt virtutes caelestium corporum; ideo secundum nos, necesse est ponere quod Angeli habeant immediatam praesidentiam non solum supra caelestia corpora, sed etiam supra corpora inferiora.
Iª q. 110 a. 1 ad 3
Ad tertium dicendum quod de substantiis immaterialibus diversimode philosophi sunt locuti. Plato enim posuit substantias immateriales esse rationes et species sensibilium corporum, et quasdam aliis universaliores, et ideo posuit substantias immateriales habere praesidentiam immediatam circa omnia sensibilia corpora, et diversas circa diversa. Aristoteles autem posuit quod substantiae immateriales non sunt species corporum sensibilium, sed aliquid altius et universalius, et ideo non attribuit eis immediatam praesidentiam supra singula corpora, sed solum supra universalia agentia, quae sunt corpora caelestia. Avicenna vero mediam viam secutus est. Posuit enim cum Platone, aliquam substantiam spiritualem praesidentem immediate sphaerae activorum et passivorum; eo quod, sicut Plato ponebat quod formae horum sensibilium derivantur a substantiis immaterialibus, ita etiam Avicenna hoc posuit. Sed in hoc a Platone differt, quod posuit unam tantum substantiam immaterialem praesidentem omnibus corporibus inferioribus, quam vocavit intelligentiam agentem. Doctores autem sancti posuerunt, sicut et Platonici, diversis rebus corporeis diversas substantias spirituales esse praepositas. Dicit enim Augustinus, in libro octoginta trium quaest., unaquaeque res visibilis in hoc mundo habet angelicam potestatem sibi praepositam. Et Damascenus dicit, Diabolus erat ex iis angelicis virtutibus quae praeerant terrestri ordini. Et Origenes dicit, super illud Num. XXII, cum vidisset asina Angelum, quod opus est mundo Angelis, qui praesunt super bestias, et praesunt animalium nativitati, et virgultorum et plantationum et ceterarum rerum incrementis. Sed hoc non est ponendum propter hoc, quod secundum suam naturam unus Angelus magis se habeat ad praesidendum animalibus quam plantis, quia quilibet Angelus, etiam minimus, habet altiorem virtutem et universaliorem quam aliquod genus corporalium. Sed est ex ordine divinae sapientiae, quae diversis rebus diversos rectores praeposuit. Nec tamen propter hoc sequitur quod sint plures ordines Angelorum quam novem, quia, sicut supra dictum est, ordines distinguuntur secundum generalia officia. Unde sicut, secundum Gregorium, ad ordinem potestatum pertinent omnes Angeli qui habent proprie praesidentiam super Daemones; ita ad ordinem virtutum pertinere videntur omnes Angeli qui habent praesidentiam super res pure corporeas; horum enim ministerio interdum etiam miracula fiunt.