5.
Verbirg dich vor eiteln Menschen, zeige dich aber möglichst viel vor Gott. Vermeide, so viel an dir ist, alles Ausgehen und hüte dich, dein Herz auszuschütten. Denn bist du aus deiner Zelle gegangen, so hast du die Enthaltsamkeit verlassen, deine Augen auf die Welt gerichtet, eine Buhlerin getroffen, welche deine Ohren durch verführerische Worte, deine Augen durch ihr schönes Gesicht, deinen Geschmack durch leckerhafte Speisen bezauberte und dich so wie mit einer Angel an sich ziehen wird. Alsdann wird sie deine Glieder umfassen, dich an ihren Busen ziehen, deinen festen Vorsatz, in Enthaltsamkeit zu leben, erschüttern, dich so allmählich von dem Wege der Tugend abziehen und durch sich zu Grunde richten. Kannst du aber auch vielleicht mit Gottes Hilfe ihren Netzen entrinnen und kehrst zur Zelle zurück, so bist du nicht mehr Derselbe, sondern schlaff und kränklich und zu jedem Tugendwerke unaufgelegt, und es wird viel Zeit dazu gehören, bevor du in deinen früheren Zustand zurückkommst. Denn es werden dich die Gedanken ängstigen, welche von beiden Lebensweisen du wählen sollest, und erst nach vieler Anstrengung wirst du der Seele den Sieg verschaffen können. Trifft es sich daher, daß du Umstände halber die Zelle verlassen mußt, so waffne dich mit der Furcht Gottes wie mit einem Panzer, lege in deine Hand die Liebe Christi, bekämpfe die Angriffe der Lüste mit aller Enthaltsamkeit, kehre nach abgethanem Geschäfte so- S. 24 fort zurück, halte dich nicht auf, sondern begib dich in schnellem Fluge auf den Rückweg, wie jene unschuldige Taube, eile in die Arche zurück, die dich entsandt hat, in dem Munde die Barmherzigkeit Christi tragend, und überzeuge so deine Gedanken, daß an keinem andern Orte die heilsame Ruhe zu finden sei. Bist du noch jung, sei es an Körper oder an Einsicht, so fliehe den Umgang deiner Altersgenossen und laufe vor ihnen wie vor Feuer. Denn der Feind steckte durch sie Viele an und überlieferte sie dem ewigen Feuer, indem er sie unter dem Scheine geistiger Liebe in den schrecklichen Abgrund der fünf Städte stürzte, und Diejenigen, welche auf dem Meere bei allen Stürmen und Wettern erhalten geblieben waren, versenkte er, als sie sich im Hafen sicher wähnten, mit Schiff und Mannschaft in die Tiefe hinab. Setze dich nicht nahe bei einem Altersgenossen auf den Stuhl, und gehst du zu Bett, so laß deine Kleider nicht nahe zu den seinigen kommen, sondern nimm einen Älteren in die Mitte. Spricht er mit dir oder psalmodirt dir gegenüber, so antworte ihm, indem du niederblickst, damit du nicht etwa durch den Anblick seines Gesichts von dem feindlichen Seemann Samen sinnlicher Begierde empfangest und Früchte des Verderbens erntest. In einem Hause oder an einem Orte, wo Niemand ist, der eure Handlungen sieht, sollst du weder unter dem Vorwande der Betrachtung des göttlichen Wortes noch irgend eines noch so nothwendigen Geschäfts mit ihm zusammentreffen; denn keine Nothwendigkeit geht über die Seele, für welche Christus gestorben ist. Glaube nicht dem arglistigen Gedanken, der dir zuflüstert, darin sei kein Ärgerniß; daß darin eines sei, davon überzeuge dich durch die vielen Erfahrungen Derjenigen, welche gefallen sind und dir Dieß deutlich zeigen.
