10.
Laß dich nicht mit der Zeit von einem hochmüthigen Gedanken verleiten, in den Bestrebungen nachzulassen, damit du nicht an der Ausgangsthür von Tugenden entblößt getroffen und ausserhalb der Pforten des Himmelreichs gefunden werdest. Die Stelle, die du im Klerus einnimmst, soll dich nicht stolz, sondern vielmehr demüthig machen. Denn ein Fortschritt im Leben ist ein Fortschritt in der Demuth, Hochmuth dagegen erzeugt Zurücksetzung und Schande. Je mehr es dir vergönnt ist, dich den höheren Stufen der priesterlichen Würden zu nahen, desto mehr demüthige dich, aus Furcht vor dem Beispiele der Söhne S. 31 Aarons. Kenntniß der Frömmigkeit ist Kenntniß der Demuth und Sanftmuth. Demüthig sein heißt Christus nachahmen, aber stolz, frech und unverschämt sein, heißt den Teufel nachahmen. Werde ein Nachfolger Christi und nicht des Antichrist, Gottes und nicht des Feindes Gottes, des Herrn und nicht des Sklaven, des Barmherzigen und nicht des Unbarmherzigen, des Menschen-Freundes und nicht des Menschen-Hassers, der Genossen des Brautgemachs und nicht der Finsterniß. Trachte nicht darnach, den Brüdern zu befehlen, damit du dir nicht die Lasten fremder Sünden auf den Hals ladest. Betrachte das Werk eines jeden Tages und vergleiche es mit dem des vorhergehenden und strebe nach Besserung. Schreite fort in den Tugenden, damit du den Engeln gleich werdest. Verbringe in der Zelle nicht Tage, nicht Monate, sondern viele Jahre hindurch deinem Herrn lobsingend bei Tag und bei Nacht nach dem Beispiele der Cherubim. Fängst du so an, und vollendest du so, dann wirst du in kurzer Zeit den beschwerlichen Weg der Übung zurückgelegt haben und mit der Gnade Gottes in das Paradies eingehen und in reinem Glanze der Seele dich mit Christus freuen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. S. 32
