31. Cap. Sie enthält keine sinnbildliche Verheissung der Wiederherstellung des jüdischen Staates; denn jene Wiederherstellung wird allen Menschen verheissen.
Wenn das Volk nur allegorisch darüber gemurrt hätte,1 dass sein Mark aufgezehrt und seine Hoffnung verloren sei, sich über das Schicksal der Zerstreuung beklagend, dann würde Gott allerdings mit Recht eine solche figürliche Hoffnungslosigkeit auch durch eine bloss figürliche Versprechung trösten. Aber da das Unglück des Zerstreutseins das Volk noch nicht getroffen hatte, die Hoffnung der Auferstehung dagegen bei ihm sehr oft gesunken war, so hat Gott in der Weise, wie2 es das Vertrauen darauf aus Anlass des Vergehens der Leiber offenbar erschütterte, diesen Glauben, den das Volk zerstörte, in entsprechender Weise wieder aufgerichtet. Auch wenn irgend ein niederschlagendes Zeitereignis Israel in jenem Augenblicke mit Betrübnis erfüllt hätte, so wäre darum doch der Inhalt jener Vision nicht als eine blosse Parabel zu nehmen, sondern als ein Zeugnis der Auferstehung, um es wieder zu jener Hoffnung aufzurichten, nämlich zur Hoffnung auf das ewige Heil und eine noch notwendigere Auferstehung, und um es vom Anblicke der gegenwärtigen Zustände abzulenken.
Diesen Zweck haben auch andere Propheten: „Ihr werdet aus den Gräbern hervorgehen wie die Kälber, wenn sie von den Banden befreit sind, und Eure Feinde unter die Füsse treten.“3 Und wiederum: „Euer Herz wird sich freuen und Eure Gebeine aufkeimen wie ein Kraut“,4 weil auch das Kraut aus der Auflösung und Verwesung des Samenkorns wieder ersteht.
In Summa, wenn die Vision von den auferstehenden Gebeinen sich ausschliesslich auf den jüdischen Staat bezieht, warum wird denn nicht bloss Israel, sondern allen Völkern eine und dieselbe Hoffnung angekündigt, S. 460 die Hoffnung der Wiedereinkörperung und Wiederbeseelung der sterblichen Überreste und der Auferweckung der Toten aus den Gräbern? Es ist nämlich mit Bezug auf alle gesagt: „Die Toten werden leben und aus den Gräbern auferstehen; denn der Tau, welcher von Dir ausgeht, ist die Heilung für ihr Gebein.“5 Ebenso an einer andern Stelle: „Alles Fleisch wird kommen, um vor meinem Angesichte anzubeten, spricht der Herr.“6 Wann denn? Wenn die Gestalt dieser Welt zu vergehen beginnen wird. Denn oben hiess es: „Denn wie der neue Himmel und die neue Erde, die ich bilden werde vor meinem Angesicht, so wird, spricht der Herr, auch Euer Same vor mir bestehen.“7 Dann wird auch das, was er unmittelbar folgen lässt, sich erfüllen: „Und sie werden hervorgehen“ — natürlich aus ihren Gräbern — „und schauen die Glieder derer, welche sich gegen mich versündigt haben, weil ihr Wurm nicht herunterfallen und ihr Feuer nicht erlöschen wird, und sie werden zum Schauspiel sein für alles Fleisch“8— verstehe, für das Fleisch, welches, auferweckt und aus den Gräbern hervorgegangen, den Herrn für diese Gnade anbeten wird.
IV. Mos. 11, 1. 6. ↩
Man kann in diesem Satze das et vor manifestus mit Latinius in ut verbessern, obwohl diese Änderung nicht gerade gefordert ist. ↩
Mal. 4, 2. „Aus den Gräbern“ schiebt Tertullian in die Stelle des Propheten ein. ↩
Jes. 56, 14. ↩
Jes. 26, 19. ↩
Jes. 66, 23. ↩
Jes. 66, 22. ↩
Jes. 66, 24. ↩
