6. Cap. Es ist also Erdenstaub, der durch die formende Hand Gottes geadelt und dazu bestimmt wurde, in der Inkarnation von Christus angenommen zu werden.
Ich möchte also meinen Gegenstand wohl noch weiter verfolgen, wenn ich nur imstande wäre, dem menschlichen Leibe so viel Ehre zu verschaffen, als der ihm erwiesen hat, der ihn bildete. Denn derselbe erfreute sich schon damals des Ruhmes, dass ein so niedriger Gegenstand wie der Lehm in die Hände Gottes, wie immer sie auch sein mögen, geriet, glücklich genug durch jene blosse Berührung. Er hätte ja können ohne weitere bildnerische Thätigkeit sofort als Gebilde infolge der blossen Berührung durch Gott dastehen. Es ging also etwas Grosses vor sich, als diese Materie bereitet wurde. Sie empfing ebenso vielmal eine Auszeichnung, als sie die Hand Gottes fühlte, indem sie berührt, ein Teil davon genommen, weggebracht und ausgeformt wurde. Stelle dir vor, wie Gott ganz mit ihr beschäftigt ist, seine Hand, sein Sinn, sein Wirken, sein Plan, seine Weisheit, seine Vorsehung und vor allem seine Zuneigung selbst, welche die Umrisse eingab, an sie hingegeben ist. Denn zu was auch immer der Lehm gestaltet wurde, es schwebte der Gedanke an Christus dabei vor, der einst Mensch werden sollte, dasselbe wie der Lehm, und der Gedanke an das Wort, das Fleisch werden sollte, was damals noch Erde war. Denn so lautet die vorausgehende Anrede des Vaters an den Sohn: „Wir wollen den Menschen machen nach unserm Bilde und Gleichnisse.“ Und es bildete Gott zum Menschen das, was er eben bildete, und er schuf ihn nach dem Ebenbilde Gottes, d. i. wohlgemerkt Christi. Denn auch das Wort ist Gott, er, der, im Bilde Gottes hingestellt, es nicht für einen Raub erachtete, Gott gleich zu sein. So war denn jener Lehm, dem schon damals das Ebenbild des künftig im Fleische erscheinenden Christus angelegt wurde, nicht bloss ein Werk Gottes, sondern auch ein Unterpfand. Was nützt es also, um den Ursprung des menschlichen Leibes herabzusetzen, jetzt immer das Wort Erde als Bezeichnung eines unreinen, niedrigen Elementes im Munde zu führen? Wenn auch ein anderer Stoff zur Ausmeisselung des Menschen dagewesen wäre, so müsste man doch die hohe Stellung des Bildners im Auge behalten, der ihn durch die getroffene Wahl für würdig erklärte und durch die Behandlung dazu würdig machte. Die Hand des Phidias arbeitet einen olympischen Jupiter aus Elfenbein und er wird angebetet. Der Gott hat mit dem wilden Tiere und noch dazu mit einem so ungeschlachten nichts mehr gemein; er ist der höchste Gott der heidnischen Welt, nicht weil der Elefant, sondern weil der Phidias S. 429 so gross ist.1 Und der lebendige Gott, der wahre Gott, der sollte nicht jede noch so geringe Materie durch ein Bearbeiten seinerseits gereinigt und von jeder Schwäche geheilt haben!? Oder sollte etwa die Möglichkeit übrig sein, dass ein Mensch einen Gott mit mehr Anstand bilden könne, als Gott den Menschen? Jetzt ist der Lehm, wenn auch ein Ärgernis, doch ein anderes Ding geworden. Ich halte mich daran, er ist bereits ein Leib und keine Erde, obwohl auch der Leib zu hören bekommt: „Du bist Erde und wirst wieder zur Erde zurückkehren.“ Damit wird bloss seine Herkunft angegeben, nicht aber sein Wesen widerrufen. Es ist ihm ein Sein verliehen worden, welches edler ist als seine Herkunft und glücklicher als seine Abstammung. Auch das Gold ist Erde, weil von der Erde; und doch ist es keine Erde mehr, sondern, seitdem es Gold ist, ein ganz anderer Stoff, glänzender und edler als der unscheinbare Mutterstoff. So ist es auch Gott verstattet gewesen, das Gold des menschlichen Leibes aus dem vermeintlichen Schmutz der Erde herauszuschmelzen und seine Herkunft zu entschuldigen.
Tertullian bedient sich hier eines Reimes: non quia elephantus, sed quia Phidias tantus. Vermutlich eine Redensart jener Zeit. ↩
