15.
1. Deshalb müssen wir uns vor den Speisen hüten, die uns veranlassen zu essen, ohne daß wir hungrig sind, 1 indem sie unsere Begierden künstlich reizen. 2 Gibt es nicht auch in einer verständigen Einfachheit eine gesunde Mannigfaltigkeit der Speisen? Zwiebeln, Oliven, manche Gemüse, Milch, Käse und Früchte und allerlei gekochte Speisen ohne leckere Brühen. 3 Und wenn gebratenes oder gekochtes Fleisch nötig ist, so mag man auch solches geben.
2. „Habt ihr etwas Eßbares hier?“ sagte der Herr zu den Jüngern nach der Auferstehung. „Sie aber“ (sie waren ja von ihm gelehrt, Einfachheit zu üben) „gaben ihm ein Stück gebratenen Fisches; und als er es vor ihren Augen gegessen hatte, sagte er zu ihnen“ 4 S. a25 (so erzählt Lukas), was er eben sagte.
3. Außerdem soll man die, welche sich der Vernunft gemäß nähren, auch nicht ohne den Genuß von Nachtischgerichten und Honigwaben lassen. 5 Denn unter den Speisen sind die am meisten zu empfehlen, die man ohne weiteres und ohne Feuer verwenden kann, da sie ja auch schneller fertig sind, 6 an zweiter Stelle aber die einfachen Gerichte, wie wir schon früher sagten.
4, Über diejenigen aber, die ganz auf die ungesund überladenen Tische 7 versessen sind und so ihre Leidenschaften großziehen, herrscht der lüsternste Dämon, den als „Bauchdämon“ 8 und als schlimmsten und verderblichsten unter allen Dämonen zu bezeichnen ich mich nicht scheuen würde. Dieser ist also dem sogenannten Bauchredner ganz ähnlich. Es ist aber viel besser, glücklich (εὐδαίμων) zu sein, als einen Dämon als Hausgenossen zu haben; das Glück (εὐδαιμονία) wird aber an der Ausübung der Tugend erkannt. 9
Als Äußerung des Sokrates angeführt Xenophon, Memor. I 3, 6; vgl Strom. II 120, 5; Plut. Moral, p. 124 D; 513 D; 521 F; 661 F. ↩
Vgl. Plut. Moral, p. 663 C. ↩
Vgl Muson. rell. p. 95, 6 f.; Platon, Staat II p. 372 C; Plut. Moral, p. 664 A, wo die Platonstelle angeführt wird. ↩
Luk. 24, 41—44. ↩
Vgl Platon, Staat II p. 372 C; Plut. Moral, p. 664 A. Zu den „Honigwaben“ vgl. Muson. rell. p. 95, 7. ↩
Vgl. Muson, rell. p. 95, 4—6. ↩
Vgl. Plut. Moral, p. 660 F. ↩
Vgl. Eupolis Fr. 172 CAF I p. 306. ↩
Zu der Wesensbestimmung von εὐδαιμονία vgl. Philon, Quod det. pot. ins. 60; Aristot. Eth. Nic. I 6 p. 1098 a 16; Eth. Eud. II 1 p. 1219 a 38; Pol. VII 8 p. 1328 a 37. ↩
