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S. 265 Im übrigen kann jeder, wenn er will, sich prüfen, wovon er sich ernähre, wo er lebe und worin er verweile. Hat er sich dies überlegt und eine genaue Unterscheidung getroffen, dann soll er sich vollkommen dem Streben nach dem Guten hingeben. Ferner gib beim Gebete auf dich acht, beachte, woher die Gedanken und Einwirkungen stammen, ob von Gott oder vom Widersacher, wer dem Herzen Nahrung reicht, ob der Herr oder die Beherrscher dieser Welt. Und hast du, Seele, Prüfung gehalten und Einsicht genommen, so flehe mit Anstrengung und Sehnsucht zum Herrn um himmlische Nahrung, Wachstum und Wirksamkeit Christi gemäß dem Schriftwort: „Unser Wandel ist im Himmel“1. Das ist nicht in bildlichem und figürlichem Sinne zu nehmen, wie manche meinen. Denn siehe, der Geist und der Sinn derer, die nur eine Scheinfrömmigkeit besitzen, gleicht der Welt. Siehe nur ihren erregten und unruhigen Willen, ihren unsteten Sinn, ihr scheues und furchtsames Wesen. Denn so ward [zu Kain] gesagt: „In Angst und Zittern wirst du auf der Erde leben“2. In ihrem Unglauben und ihrer Verwirrung durch die unsteten Gedanken werden sie unablässig gleich allen übrigen Menschen umhergetrieben. Nur durch ihre Tracht und nicht durch ihr Trachten3, nur in leiblichen guten Werken des „äußern Menschen“ unterscheiden sich solche von der Welt. Mit dem Herzen jedoch sind sie in die Welt und irdische Bande verstrickt und in unnützen Sorgen befangen, den himmlischen Frieden haben sie in ihrem Herzen nicht, wie der Apostel sagt: „Der Friede Gottes herrsche in euren Herzen“4. Er ist es, der die Gesinnungen der Gläubigen beherrscht und erneuert in der Liebe Gottes und der ganzen Brüderschaft. Preis und Anbetung sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste in Ewigkeit. Amen. 32. Homilie.
