3.
„Gott schuf den Himmel und die Erde”, beide nicht halb, sondern einen ganzen Himmel und eine ganze Erde, d. h. die Substanz samt der Gestalt. Er ist nicht bloß der Erfinder der Formen, sondern der Schöpfer des Wesens der Dinge. Sie sollen uns doch Red' und Antwort stehen, wie die werktätige Kraft Gottes und die leidende Natur der Materie miteinander zusammentrafen, wenn doch letztere das gestaltlose Substrat darbot, Gott aber die Kenntnis der Gestalten ohne Materie hatte, daß dem einen wie der andern gegenseitig das Fehlende ersetzt S. 29 wurde, dem Werkmeister das Objekt, an dem er seine Kunst zeigen konnte, der Materie die Beseitigung ihrer Gestalt- und Formlosigkeit. Doch genug hiervon; wir wollen wieder auf das zurückkommen, wovon wir ausgegangen sind.
„Die Erde aber war unsichtbar und ungestaltet.” Als er (Moses) sagte: „Im Anfange schuf Gott den Himmel und die Erde”, verschwieg er vieles: Wasser, Feuer, Luft und dieser Elemente Folgeerscheinungen. All dies gehört zum Weltganzen und ist darum offenbar mit dem Weltall entstanden Allein die Berichterstattung hat das übergangen, um unsern Verstand zu der Fertigkeit zu erziehen, aus den wenigen Angaben auf das Fehlende zu schließen. So ist denn auch vom Wasser nicht gesagt, daß Gott es erschaffen; aber es heißt, daß die Erde unsichtbar war. Erwäg' nun du bei dir, welche Decke sie verhüllte und unsichtbar machte! Das Feuer konnte sie nicht verdecken; denn das Feuer gibt Licht und erhellt die Gegenstände, auf die es fällt, statt sie zu verdunkeln. Auch war gewiß damals die Luft nicht die Hülle der Erde. Denn die Luft ist ihrer Natur nach dünn und durchsichtig, nimmt alle Gestalten der sichtbaren Welt auf und übermittelt sie dem Auge der Beschauer. Es bleibt uns also nur noch die Annahme übrig, Wasser habe die Oberfläche der Erde überflutet, da die flüssige Substanz noch nicht an den für sie bestimmten Ort abgesondert war. Deshalb war die Erde nicht nur unsichtbar, sondern auch ungestaltet. Noch jetzt ist ja übermäßige Nässe der Fruchtbarkeit des Bodens ungünstig. Und eben das ist die Ursache, weshalb die Erde unsichtbar und ungestaltet war. Die Ausstattung der Erde ist ja der ihr eigene und natürliche Schmuck, die wogenden Saaten auf den Fluren, die grünenden und in bunter Flora prangenden Wiesen, die blühenden Täler und von Wäldern beschatteten Bergeshöhen; von all dem hatte die Erde noch nichts. Sie sollte aber all das gebären dank der vom Schöpfer in sie gelegten Kraft, indes noch warten auf die gelegene Zeit, um dann auf göttlichen Befehl hin die Frucht ihres Schoßes ans Tageslicht zu bringen.
