7.
„Und Gott sprach: Es werde Licht1.” Das erste Wort Gottes schuf die Substanz des Lichtes, verscheuchte die Finsternis, verbannte die Schwermut2, erleuchtete die Welt und gab allen Dingen ein reizendes und liebliches Aussehen. Auch der Himmel, bis dahin in Finsternis gehüllt, ward sichtbar, und zwar eben in der Schönheit, die noch heute unser Auge bezeugt. Lichtumflutet ward die Luft, oder vielmehr sie nahm das volle Licht ganz in sich auf und sandte die blitzenden Strahlen ihres Glanzes nach allen Enden aus. Aufwärts drang sie bis zum Äther und Himmel selbst, und in der Breite beleuchtete sie alle Teile der Welt, den Norden wie den Süden, den Osten und Westen, und zwar in einem Momente. S. 36 Denn ihre Substanz ist so durchsichtig und fein, daß das Licht ohne Verzug hindurchgeht. Wie sie unsern Blick ohne Zeitaufwand zu den sichtbaren Dingen lenkt, so rasch, rascher als man es sich denken kann, nimmt sie auch die Strahlen des Lichtes bis zu ihren äußersten Grenzen auf. Auch der Äther wurde mit dem Lichte lieblicher und die Wasser klarer, indem sie den Glanz nicht nur aufnahmen, sondern mit der Brechung des Lichtes ihn auch widerstrahlten, da die Lichtfluten allenthalben vom Wasser abprallen. So verwandelte die göttliche Stimme alles in Anmut und Herrlichkeit. Wie die, die in die Tiefe tauchen, an Ort und Stelle Öl ausgießen und damit den Raum erhellen3, so hat der Schöpfer des Weltalls mit einem Wort plötzlich der Welt die Gabe des Lichtes geschenkt.
„Es werde Licht!” Und der Befehl ward Werk: Die Substanz war da, die das köstlichste Gut ist, das Menschengeist sich ausdenken kann. Wenn wir aber bei Gott von einer Stimme, einem Worte, einem Befehle reden, so verstehen wir unter der göttlichen Rede keinen mittelst Sprachorgan hervorgebrachten Laut, keine mit der Zunge geformte Luft, sondern wir glauben hier die Willensrichtung in der Form eines Befehles geäußert, um sie denen deutlich zu machen, die auf sie achten sollten.
„Und Gott sah, daß das Licht schön war4.” Wie könnten wir ein würdiges Lob finden für das Licht, dem der Schöpfer selbst zuerst das Zeugnis gegeben hat, daß es schön sei! Auch überläßt bei uns der Verstand das Urteil dem Auge, da er so wenig das Große ausdrücken kann, das die Wahrnehmung zuvor bezeugt. Wenn aber die Schönheit eines Körpers im Ebenmaß seiner Teile und in einer gesunden Farbe des Äußern liegt, wie wird dann beim Lichte, das von Natur einfach ist und in lauter gleiche Strahlen sich zerteilt, der Begriff „Schönheit” gerettet? Doch wohl so, daß man beim Lichte nicht S. 37 etwa eine Symmetrie zusammengehöriger Teile sucht, sondern das Angenehme und Milde sieht, das es für unser Auge hat. In dieser Weise ist ja auch das Gold schön, das nicht durch Übereinstimmung seiner Teile, sondern allein durch seine schöne Farbe Reiz und Entzücken für das Auge hat.
Und der Abendstern ist der schönste der Sterne, nicht, weil bei ihm zusammengehörige Teile zueinander im richtigen Verhältnis stehen, sondern weil von ihm ein heiterer und lieblicher Glanz in unser Auge fällt. Sodann richtete sich hier das Urteil Gottes über die Schönheit nicht lediglich nach der Wonne, die ein Auge empfindet, sondern auch nach dem künftigen Nutzen, den das Schöne vorausschauen ließ. Augen gab es ja noch nicht, um über die Schönheit zu urteilen. „Und Gott machte eine Scheidung zwischen dem Lichte und zwischen der Finsternis5”, d. h. Gott schuf ihre Natur so, daß sie keine Vermischung zuließ und im Gegensatz zur andern stand. Denn er hat beide voneinander getrennt und geschieden durch einen sehr großen Zwischenraum.
