7.
Doch laßt uns wieder zurückkommen auf die Betrachtung der kunstvollen Anordnungen! Wie viele Baumarten kamen damals zum Vorschein, die fruchttragenden, die zu Dachgiebeln oder zum Schiffsbau, wieder andere zu Brennholz geeigneten! Und unter diesen Arten hat wieder jeder Baum eine verschiedene Anordnung seiner Teile. Schwierig freilich ist die Auffindung der jeweiligen Eigenart und die Beobachtung des Unterschiedes eines Baumes von andersgearteten: Die einen von ihnen schlagen tiefe Wurzeln, die andern haben sie an der Oberfläche; die einen haben einen geraden Wuchs und sind einstämmig, die andern sind S. 83 niedrig und von der Wurzel an in viele Auswüchse geteilt. Alle Baumarten mit langen und weit in die Luft hinausgreifenden Ästen haben tiefe und in weitem Umkreise verteilte Wurzeln, wie wenn die Natur der von oben drückenden Last eine entsprechende Unterlage hätte geben wollen. Wie reich die Mannigfaltigkeit der Rinden! Die einen Bäume haben eine glatte, andere eine rauhe Rinde; die einen haben nur eine Rinde, andere mehrere Rinden. Das Wunderbare ist, daß du auch bei den Bäumen ähnliche Erscheinungen gewahrst wie beim menschlichen Jugend- und Greisenalter: Um die jungen und frischgrünenden Bäume spannt sich eine glatte Rinde, bei den alternden wird sie rauh und runzelig. Die einen schlagen, wenn abgehauen, wieder aus; die andern bleiben ohne Nachwuchs und haben von der Axt gleichsam den Todesstreich bekommen. Auch will man beobachtet haben, daß abgehauene und abgebrannte Fichtenbestände in Eichenwälder sich verwandeln. Auch wissen wir, daß Naturfehler von Bäumen durch sorgfältige Pflege der Landleute ausgebessert werden. So z.B. verwandeln die sauren Granatäpfel und die Bittermandeln den bitteren Saft in einen wohlschmeckenden, sobald man den Stamm an der Wurzel durchbohrt und einen saftigen Keil von der Pechföhre mitten durch das Mark hineintreibt1. - Keiner, der in Sünden lebt, soll sich darum aufgeben, weiß er doch, daß Baumwartskunst die Eigenschaften der Bäume verändern kann, eifrige Seelsorge aber imstande ist, über alle Schwächen Herr zu werden.
Die Verschiedenheit der Fruchtbäume in Hinsicht der Früchteerzeugung ist aber so groß, daß man sie überhaupt nicht schildern kann. Denn nicht nur findet man an den verschiedenartigen Bäumen verschiedene Früchte, sondern schon bei der nämlichen Baumart ist der Unterschied groß. So ist die Frucht der männlichen Bäume verschieden von der der weiblichen, wie die Baumzüchter beobachtet haben, die denn auch die Palmen in männliche und weibliche einteilen. Man S. 84 kann gelegentlich auch beobachten, wie der sogenannte weibliche Baum seine Zweige senkt, als fühle er den Trieb zur Begattung und verlange nach der Umarmung des männlichen Baumes, wie denn die Pflanzer des Palmenhains auf die Zweige etwas werfen wie Samen von den männlichen Bäumen - Psen2 nennen sie ihn -, worauf dann die Zweige wie im Gefühle des Genusses sich wieder emporrecken, und die Blätter des Baumes wieder ihre natürliche Stellung einnehmen. Dasselbe sagt man auch von den Feigenbäumen. Deshalb pflanzen die einen wilde Feigenbäume neben die veredelten. Andere wieder binden wilde Zweige auf die veredelten und fruchtbaren Feigenbäume, helfen so deren Schwäche3 nach und erhalten durch die wilden Zweige die bereits fallende und sich verlierende Frucht. - Was will dir dieses Rätsel der Natur sagen? Daß wir oft auch von den Andersgläubigen einen gewissen Ansporn zur Vollbringung guter Werke uns geben lassen sollen. Denn siehst du einen Heiden oder einen schuld einer verderblichen Häresie von der Kirche Getrennten eines enthaltsamen und überhaupt sittlich geordneten Wandels beflissen, dann spanne deinen Eifer noch mehr an, damit du gleich werdest dem fruchtbaren Feigenbaume, der aus der Gegenwart der wilden Zweige an Kraft gewinnt, das Abfallen (der Frucht) aufhält und sie sorgfältiger ausreifen läßt.
Ambrosius (Hexaemeron III, 13,56) erzählt dieselbe Operation ↩
ψήν eigentlich die Gallwespe, die in der wilden Feige und in der Frucht der männlichen Palme lebt ↩
Sinn: Der Feigenbaum hat von sich aus nicht die Kraft, trotz schädlicher Einwirkungen der Luft oder der Hitze die Frucht zu behalten bis zur vollen Reife. Darum muß mit diesem künstlichen Mittel nachgeholfen werden. (Vgl. Ambrosius, Hexaemeron III, 13, 56.) ↩
