1.
„Und Gott sprach: Es bringen hervor die Wasser die kriechenden Tiere mit lebendiger Seele nach ihrer Art, und Vögel, die fliegen am Firmamente des Himmels nach ihrer Art1.” Nach Erschaffung der Lichter füllen sich nunmehr auch die Wasser mit Lebewesen; auch dieser Bereich sollte seinen Schmuck erhalten. Die Erde hatte ja in ihren Gewächsen ihren Schmuck bekommen. Bekommen hatte auch der Himmel der Sterne Blüten, und wie mit einem strahlenden Augenpaar schmückte ihn das Zweigespann der großen Leuchten. Es fehlte noch, daß auch den Wassern ihr Schmuck gegeben wurde. Da kam ein Befehl, und sofort wurden fruchtbar die Flüsse, und jeder See gebar die ihm eigenen und natürlichen Arten. Auch das Meer öffnete seinen Schoß zur Erzeugung aller Arten von schwimmenden Tieren; nicht einmal das Wasser in Tümpeln und Sümpfen blieb müßig und teilnahmslos bei der Vollendung der Schöpfung: Frösche, Schnaken und Mücken schlüpften ja in Masse daraus hervor. Was nämlich jetzt noch zu sehen ist, ist ein Beweis für das Vergangene. So hatte es jedes Wasser eilig, dem schöpferischen Befehl nachzukommen. Und das Leben all dieser Tiere, deren Arten man nicht einmal zählen kann, hat die große und unaussprechliche Macht Gottes sofort mit vitaler Lebenskraft bedacht. „Es bringen die Wasser hervor die kriechenden Tiere mit lebendiger Seele.” Jetzt erst war das animalische, sinnbegabte Lebewesen geschaffen. Von Pflanzen und Bäumen sagt man ja wohl auch aus, sie leben, weil sie teilnehmen an der Fähigkeit, sich zu nähren und zu wachsen. Allein sie sind keine animalischen, beseelten Wesen2. Deshalb S. 111 „sollen die Wasser die kriechenden Tiere hervorbringen”.
Alles, was schwimmt, mag es auf der Oberfläche des Wassers einherschwimmen, oder mag es in der Tiefe das Wasser durchschneiden, hat die Natur der Kriechtiere, weil es sich durch den Körper des Wassers schleppt. Haben auch einige Wassertiere Füße und gebrauchen sie zum Gehen - die meisten davon gehören zu den Amphibien, wie die Robben, Krokodile, die Flußpferde3, die Frösche und Krebse -, so bevorzugen sie doch das Schwimmen. Daher heißt es: „Die Wasser bringen Kriechtiere hervor!” Welche Art wäre in diesen wenigen Worten übergangen? Welche nicht miteingeschlossen im Schöpfungsbefehle? Sind nicht miteingeschlossen die Säugetiere, die lebendige Junge zur Welt bringen wie die Robben, Delphine, Kampfrochen und andere dieser Art, die man Knorpelfische nennt? Nicht die, welche Eier legen, was bei fast allen Fischarten der Fall ist? Nicht alle Schuppen- und Schaltiere, nicht die, welche Flossen haben und die, welche keine haben? Der Wortlaut des Befehls ist kurz, eigentlich überhaupt kein Wortlaut, sondern nur ein Wink, ein Willensakt. Aber der Inhalt des Befehls entspricht in seiner reichen Mannigfaltigkeit der Fülle von unterscheidenden und gemeinsamen Merkmalen der Fische; alle Fischarten genau aufzählen wollen, hieße aber die Wogen des Ozeans zählen oder das Wasser des Meeres mit hohler Hand messen wollen.
„Es bringen die Wasser hervor kriechende Tiere!” Darunter fallen die Tiere, die im Meere, an den Gestaden, in der Tiefe, an den Felsen4, die herdenweise und vereinzelt leben, die Walfischarten, die Riesen- und Zwergfische. Durch dieselbe Macht, auf denselben Befehl hin erhielt Groß und Klein das Dasein. - „Die Wasser bringen hervor!” Das zeigt dir an die physische Verwandtschaft der Wassertiere mit dem Wasser; S. 112 deshalb kommen die Fische um, sobald sie auch nur kurze Zeit außer Wasser sind. Denn sie haben keinen Atem, um diese Luft einzuziehen; was aber für die Landtiere die Luft ist, das ist für das schwimmende Geschlecht das Wasser. Der Grund liegt auf der Hand. Wir haben die Lungen, ein zartes, porenreiches Eingeweide, das durch die Ausdehnung der Brust die Luft aufnimmt und unsere innere Wärme durchlüftet und abkühlt. Bei jenen aber tritt an Stelle des Atems das Öffnen und Schließen der Kiemen, die das Wasser aufnehmen und ausstoßen5. Die Fische haben ein eigenes Los, eine eigene Natur, eine besondere Lebensweise und ein eigenartiges Leben. Deshalb läßt sich auch kein schwimmendes Tier zähmen und duldet überhaupt keine Berührung durch menschliche Hand6.
Gen 1,20-21 ↩
ζα οὐδὲ ἔμψυχα ↩
Basilius wählt den klassisch griechischen Ausdruck οἱ ποτάμιοι ἵπποἱ (vgl. Arist. hist. Anim. II,7), nicht das spätgriechische ἱπποπόταμος ↩
so hängen die Purpurschnecken an den Felsenriffen ↩
vgl. Aristoteles, de part. Anim. III,6 ↩
Widerspricht der Erfahrung von einst (Martial, Epigr. IV, 30; X. 30; Aelian, de nat. animal. VIII, 4; Plinius, hist nat. IX, 71) und heute. ↩
