4.
Aber wir sind nicht so. Woher kommt das? Weil wir die ewigen Grenzen verrücken, die unsere Väter gesetzt haben. Wir verteilen die Erde, fügen Haus an Haus, Acker an Acker, um dem Nächsten etwas zu nehmen. Die Walfische kennen ihren von der Natur angewiesenen Aufenthalt; sie haben das Meer außerhalb der bewohnten Länder bekommen, das insellose Meer, dem kein Festland gegenüberliegt. Es wird daher nicht befahren; kein Wissenstrieb und kein Bedürfnis rät den Schiffer zu solchem Wagnis. Dies Meer bewohnen die Wale, den höchsten Bergen gleich an Größe, wie die erzählen, die sie gesehen haben; sie bleiben in ihren Grenzen, bedrohen weder Inseln noch Seestädte. So also haust jede Fischart in den ihr zugewiesenen Teilen des Meeres wie in Städten oder Dörfern oder alten Heimatsitzen.
S. 117 Doch gibt es auch wandernde Fischvölker, die gleichsam von einem gemeinsamen Rate in die Fremde gesandt werden und gemeinsam auf ein verabredetes Zeichen hin aufbrechen. Wenn nämlich die bestimmte Laichzeit kommt, wandern sie aus den verschiedenen Meerbusen aus und drängen, dem gemeinsamen Naturgesetze folgend, in das Nordmeer. Zur Zeit der Auswanderung kannst du sehen, wie die Fische in Massen einem Strome gleich durch die Propontis ins Schwarze Meer strömen. Wer ist es, der sie treibt? Wo ist ein königlicher Befehl? Welche öffentliche Bekanntmachung gibt ihnen die bestimmte Zeit an? Wer ist ihr Führer in die Fremde? Du siehst überall die göttliche Anordnung, wie sie selbst die kleinsten Dinge beherrscht. Der Fisch widerspricht dem Gebote Gottes nicht, und wir Menschen wollen uns nicht an die heilsamen Lehren halten. Verachte die Fische nicht, weil sie nicht Sprache noch Vernunft haben! Fürchte dich vielmehr, unvernünftiger als sie zu sein, wenn du der Anordnung Gottes dich nicht fügst! Höre, wie die Fische lautlos, nur mit der Tat sagen: Zur Erhaltung der Gattung werden wir auf diese weite Wanderung geschickt. Sie haben keine eigene Vernunft, haben aber das Naturgesetz, das mächtig in ihnen lebt und ihnen den Weg weist. Laßt uns in das Nordmeer wandern, sagen sie. Denn süßer ist dort das Wasser als in dem übrigen Ozean, weil die Sonne nur kurz darüber verweilt und mit ihren Strahlen ihm nicht alles trinkbare Wasser entzieht. Es freuen sich am Süßwasser auch die Seetiere, weshalb sie häufig in die Flüsse hinausschwimmen und sich weit vom Meere entfernen. Deshalb ist ihnen das Schwarze Meer lieber als die übrigen Meerbusen, weil es geeignet ist zur Erzeugung und Aufzucht ihrer Brut darin1. Haben sie dann ihren Zweck voll erreicht, dann kehren sie wieder alle scharenweise nach Hause zurück. Und was ist der Grund? Hören wir die Stummen! Das Nordmeer, sagen sie, ist seicht und wegen seiner flachen Lage den Stürmen ausgesetzt, hat nur wenige Gestade und Buchten. Daher peitschen es die Winde leicht bis auf S. 118 den Grund auf, so daß sich selbst der Sand in der Tiefe mit den Wellen vermischt. Aber auch kalt ist es zur Winterszeit, weil viele große Flüsse einmünden. Wenn sie also im Sommer darin, so gut es ging, sich ihres Lebens gefreut haben, so eilen sie im Winter wieder zu der Wärme in der Tiefe und an die sonnigen Plätze und ziehen sich scheu vor der grimmigen Kälte des Nordens in die weniger stürmischen Busen (wie in Seehäfen) zurück.
vgl. Arist. hist. Anim. VIII, 13,19 ↩
