5.
Ich sah das selbst und bewunderte in allem die Weisheit Gottes. Wenn die unvernünftigen Geschöpfe die nötige Einsicht und Vorsicht haben in bezug auf ihr Wohl, und der Fisch weiß, was er zu wählen und zu fliehen hat, was wollen dann wir sagen, die wir mit Vernunft begabt sind, im Gesetze unterwiesen, durch Verheißungen ermutigt, vom Geiste erleuchtet sind und doch weniger vernünftiger als die Fische auf unser Wohl bedacht sind? Die Fische wissen um eine gewisse Vorsorge für die Zukunft; wir aber vergeuden aus Mangel an Zukunftshoffnung in tierischer Wollust unser Leben. Der Fisch wechselt soviele Meere, um irgendeinen Vorteil zu finden; was willst du sagen, der du im Müßiggang dahinlebst? Müßiggang ist aber der Anfang der Bosheit. Niemand schütze Unwissenheit vor! Eine natürliche Vernunft, die uns die Aneignung des Guten wie die Flucht vor dem Gefährlichen anrät, ist in uns gelegt. Ich höre mit Beispielen aus dem Bereich der Seetiere noch nicht auf; denn mit ihrer Erforschung haben wir es eben zu tun.
Ich hörte von einem Küstenbewohner, daß der Seeigel, ein ganz kleines und unansehnliches Tier, für die Seeleute häufig zum Vorboten von Windstille und Sturm wird. Sobald er den Sturm voraussieht, schlüpft er unter einen großen Stein, wo er gleichsam fest vor Anker liegt und durch dessen Schwere festgehalten wird, daß er nicht leicht von den Wogen weggespült wird1.
S. 119 Sobald die Schiffer dies Zeichen sehen, wissen sie, daß ein heftiger Sturm im Anzuge ist. Kein Astrolog, kein Chaldäer, der aus dem Aufgang der Gestirne die Erschütterungen der Luft erschließen will, hat dies Verhalten dem Igel gelehrt, sondern der Herr über Wind und Meer hat dem kleinen Lebewesen eine Spur seiner großen Weisheit eingesenkt. Nichts, was Gott nicht vorausgesehen, wofür er nicht vorgesehen hätte. Alles schaut sein nie schlafendes Auge2. Allen ist er nahe, sorgt für eines jeden Wohl. Wenn nun Gott den Igel nicht außer acht gelassen, sollte er dann nicht auf dich acht haben? „Männer, liebet eure Frauen3!” Wäret ihr auch einander landfremd, so seid ihr doch in der ehelichen Gemeinschaft zusammengekommen. Das Band der Natur, das unter Segen4 aufgelegte Joch soll die Getrennten einen. Die Wasserschlange, das gefährlichste unter den Kriechtieren, eilt zur Vermählung mit dem Meeraal und ruft ihn durch ihr Zischen aus den Tiefen zur ehelichen Umarmung. Dieser gehorcht und vereint sich mit dem giftigen Tiere5. Was will ich damit sagen? Daß die Gattin ihren Mann, auch wenn er rauh ist und ungeschlacht, geduldig ertragen muß und unter keinem Vorwande die Verbindung lösen darf. Er ist ein Schläger? Gleichwohl der Mann. Ein Trunkenbold? Gleichwohl dir verbunden durch die Natur. Er ist rauh und mürrisch? Gleichwohl ist er ein Glied von dir, und zwar der Glieder vorzüglichstes.
Ambrosius (Hexaemeron V. 9,24) schildert den Seeigel als Wetterpropheten etwas abweichend von obiger Darstellung. Basilius erinnert hier an Oppianus, de pisc. II, 225; Aelian, de nat. anim. VII, 33, Plinius, hist. nat. IX, 5 ↩
vgl. Spr 15,3 ↩
Eph 5,25 ↩
Anspielung auf die krichlich-sakramentale Einsegnung der Ehe ↩
vgl. Aelian I. C. I., 50; IX 66 ↩
