4. Ihre gottlose Lehre macht alles Gebet und Segenssprüche des Priesters überflüssig.
Wenn demnach Pelagius durch die bischöflichen Verhandlungen,1 die im Orient gepflogen worden sein sollen, auch deiner Ehrwürdigkeit als mit Recht freigesprochen erscheinen sollte, so muß doch der Irrthum und die Gott- S. 134 losigkeit, welche schon viele Vertheidiger allenthalben gefunden hat, auch durch das Ansehen des apostolischen Stuhles verurtheilt werden. Denn deine Heiligkeit möge bedenken und aus hirtenamtlicher Liebe mit uns bedauern, wie verderblich und schädlich sür die Schafe Christi ist, was sich aus deren gottlosen Behauptungen mit Nothwendigkeit ergiebt, daß wir nicht einmal zu beten brauchen, damit wir nicht in Versuchung kommen, wozu der Herr seine Schüler ermahnte, was er auch in das Gebet aufnahm, welches er uns lehrte, oder daß unser Glaube nicht wanke, was er nach eigenem Zeugnisse selbst für den Apostel Petrus erbeten hat. Denn wenn Dieß durch die Fähigkeit der Natur und die Freiheit des Willens in (unserer) Macht liegt, so erscheint dann vergebens und fälschlich vom Herrn erbeten zu werden, wenn man im Gebete um das bittet, was man durch die ausreichenden Kräfte der schon so erschaffenen Natur erlangt; der Herr Jesus durfte nicht sagen:2 „Wachet und betet," sondern nur: Wachet, „damit thr nicht in Versuchung fallet;" noch zu dem seligsten Apostelfürsten Petrus:3 „Ich habe für Dich gebetet," sondern: Ich ermahne Dich oder ich gebiete und befehle Dir, „daß dein Glaube nicht wanke." Durch ihre Behauptungen treten sie auch unseren Segnungen entgegen, so daß wir sie vergebens über das Volk zu sagen scheinen, was immer wir für sie von Gott erflehen, damit sie durch einen gerechten und frommen Lebenswandel ihm gefallen mögen; oder auch, um was der Apostel für die Gläubigen betet mit den Worten:4 „Ich beuge meine Kniee vor dem Vater unfers Herrn Jesus Christus, von welchem alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden herkommt, daß er nach dem Reichthume seiner Herrlichkeit euch verleihe, mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist." Wenn wir also das Volk segnen und dabei sagen wollten : Gib ihm, o Herr, die Kraft, daß es durch deinen Geist gestärkt werde, so widersprechen sie uns, be- S. 135 hauptend, daß die Freiheit des Willens geleugnet werde, wenn man das von Gott erbittet, was in unserer Macht liegt. Denn, sagen sie, wenn wir durch die Kraft gestärkt werden wollen, so können wir das durch die Fähigkeit der Natur, welche wir nicht erst jetzt erhalten, sondern schon bei der Erschaffung erhalten haben.
