2. Eine neue Irrlehre leugnet die Nothwendigkeit der Gnade und der Kindertaufe.
Denn eine neue und allzu gefährliche Häresie der Gnade Christi versucht es, sich zu erheben, welche auch das Gebet des Herrn durch gottlose Streitigkeiten zuentreissen sich bemüht. Während uns nemlich der Herr S. 138 sagen lehrte:1 „Vergieb uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern," behaupten Jene, der Mensch könne in diesem Leben, nachdem er die Gebote Gottes kennen gelernt, zu einer so vollkommenen Gerechtigkeit ohne den Beistand der Gnade des Erlösers durch die Kraft des freien Willens allein gelangen, daß er nicht mehr zu sagen brauche: „Vergieb uns unsere Schulden;" was aber darauf folgt:2 „Führe uns nicht in Versuchung," sei nicht so zu verstehen, als ob wir die göttliche Hilfe begehren müßten, um nicht in der Versuchung zur Sünde zu fallen, sondern es sei Dieß in unserer Macht gelegen, und hiezu reiche der Wille des Menschen aus, als ob der Apostel umsonst gesagt hätte3 „Nicht an Jemands Wollen oder Laufen liegt es, sondern an Gottes Erbarmen ;" und:4 „Getreu ist Gott, der euch nicht über euere Kräfte versuchen läßt, sondern mit der Versuchung auch den Ausgang verleihen wird, daß ihr bestehen könnet." Vergebens hätte auch der Herr zu dem Apostel Petrus gesagt:5 „Ich habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht wanke," und all' den Seinen:6 „Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet." Auch die Kinder, sagen sie in gewiß unchristlichem Hochmuthe, werden auch, ohne die Sakramente der christlichen Gnade empfangen zu haben, das ewige Leben erlangen, und entkräften so die Worte des Apostels:7 „Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen und durch die Sünde der Tod, und so ist er auf alle Menschen übergegangen, weil Alle in ihm gesündiget haben," und an einer anderen Stelle:8 „Gleichwie in Adam Alle sterben, so werden auch in Christus Alle lebendig gemacht werden." Mit Übergehung des Übrigen, was sie im Widerspruch gegen die hl. Schrift behaupten, mögen indessen diese zwei Puncte genügen, durch welche sie das Ganze, daß wir Christen S. 139 sind, zu vernichten streben, was gläubige Herzen aufrecht erhält, nemlich, daß man Gott nicht zu bitten brauche, er möge uns gegen das Übel der Sünde und zur Übung der Gerechtigkeit beistehen, und daß den Kindern das Sacrament der christlichen Gnade zur Erlangung des ewigen Lebens Nichts nütze.
