4. Chrysostomus wird zurückgerufen, Theophilus flieht und weigert sich, dem Befehle des Kaisers, noch einmal nach Constantinopel zu kommen, zu entsprechen; Chrysostomus aber verlangt umsonst eine Synode und wird abermals vertrieben.
Da aber, wie ich früher sagte, nicht bloß Thränen nothwendig sind, sondern auch Hilfe, so bitte ich euere Liebe, sich zu erheben und sowohl mitzutrauern als auch Alles zu thun, damit diese Übel ein Ende nehmen. Denn hiemit schloßen die Ungerechtigkeiten nicht ab, sondern auf die früheren folgten neue. Denn nachdem der gottseligste Kaiser Diejenigen, welche unverschämt und ungerecht die Kirche S. 44 angegriffen hatten, verjagt und viele der anwesenden Bischöfe, da sie deren Ungerechtigkeit erkannten, in sich einkehrten, indem sie deren Umgang1 wie einen Alles verzehrenden Brand flohen, wurden wir zwar in die Stadt und in die Kirche, aus welcher wir ungerecht hinausgewiesen worden waren, wieder zurückgerufen2 unter dem Geleite von mehr als dreissig Bischöfen und eines vom gottesfürchtigsten Kaiser abgesandten Notars; Jener3 aber floh sogleich, ohne daß wir wissen, warum und weßhalb. Nach unserer Ankunft baten wir den gottesfürchtigsten Kaiser, er möge eine Synode behufs der Bestrafung des Geschehenen versammeln. Im Bewußtsein also seiner Handlungen und aus Furcht vor der Untersuchung, da die allenthalben hin versandten kaiserlichen Schreiben Alle von allen Orten her beriefen, eilte er mitten in der Nacht heimlich auf einen Nachen und entkam so, alle seine Begleiter mit sich fortnehmend. Wir aber, im Vertrauen auf unser Gewissen, ließen auch jetzt nicht ab, den gottesfürchtigsten Kaiser abermals um Dasselbe4 zu bitten. Dieser aber sandte seiner Frömmigkeit gemäß abermals (ein Schreiben) an ihn, daß er und alle die Seinigen schnell aus Ägypten zurückkommen, damit er von dem Geschehenen Rechenschaft ablege und nicht meine, es genüge zu seiner Rechtfertigung, was unrechtmäßig, von einem Theile und in unserer Abwesenheit und gegen so viele Canones unternommen wurde. Er aber leistete den kaiserlichen Schreiben keine Folge, sondern blieb zu Hause, einen Aufstand des Volkes und einen unzeitigen Eifer sei- S. 45 ner Anhänger vorschützend; und doch hatte eben diesesVolk ihn vor den kaiserlichen Schreiben mit unzähligen Schmähungen überhäuft. Doch erklärten wir Dieß jetzt nicht ausführlicher, sondern sagten es, weil wir beweisen wollten, daß er nicht abließ, Böses zu thun. Übrigens ruhten wir auch jetzt nicht und begehrten unablässig eine Untersuchung nach Fragen und Antworten; denn wir waren bereit zu beweisen, daß sowohl wir unschuldig seien, als auch daß Jene die äussersten Ungerechtigkeiten begangen hätten. Denn es waren auch einige Syrier von denen, welche damals mit ihm zugegen waren, zurückgeblieben, welche gemeinschaftlich mit ihm das Ganze veranstaltet hatten. Auch Diesen gegenüber waren wir bereit, untersucht zu werden, und drangen oft darauf, indem wir ersuchten, daß uns die Acten gegeben werden mögen oder die Schriften der Ankläger oder die Art der Anschuldigungen oder die Ankläger selbst bekannt gemacht werden. Aber Nichts von Diesem erlangten wir, sondern wurden abermals aus der Kirche vertrieben.5 S. 46
Ἔφοδον bei Coustant wohl unrichtig mit impetus übersetzt. ↩
Die Volksgährung und eben eingetretene, als Strafgerichte Gottes angesehene Erdstöße setzten den Kaiser und noch mehr die Kaiserm so in Furcht, daß Letztere den Verbannten in einem eigenhändigen Schreiben um schleunigste Rückkehr ersuchte. ↩
Theophilus ↩
Um die Berufung einer Synode; Chrysostomus wollte vor dieser sein Amt nicht wieder antreten, ja nicht einmal nach Constantinopel zurückkehren. ↩
Dieser neue Sturm gegen Chrysostomus brach 2 Monate nach seiner Rückkehr gegen ihn los; die Veranlassung war folgende: In der Nähe seiner bischöflichen Kirche wurde eine prächtige silberne Bildsäule der Kaiserin unter lärmenden Lustbarkeiten, Schauspielen und Tänzen errichtet, und der orientalische Knechtssinn bethätigte sich dabei in hatbgötttschen Ehrenbezeigungen gegen die Statue. Hiegegen eiferte Chrysostomus in einer Predigt und beleidigte die kaum versöhnte Fürstin auf‘s Neue. Die Erbitterung wuchs, als bald darauf am Feste der Enthauptung Johannis Chrysostomus die Kaiserin ganz deutlich mit Herodias verglichen haben solI, die nach dem Haupte Johannis (er selbst hieß auch Johannes) verlange. Die FoIge war, daß die von Chrysostomus immer umsonst verlangte Synode nach Constantinopel berufen wurde, auf welcher nicht bloß seine alten Feinde, sondern auch gar manche Indifferente, ächt byzantinisch nach der Hoflust sich richtend, als Gegner gegen ihn auftraten. Theophilus war nicht selbst erschienen, aber getreulich befolgte die Synode den ihr von ihm gegebenen Rath, gegen Chrysostomus nach den 4. u. 12. Canon des antiochenischen Concil v. J. 341 vorzugehen, wonach ein Bischof, der, von einer Synode abgesetzt, seinen Stuhl wieder besteigt, ohne durch eine andere Synode restituirt zu sein, auf immer abgesetzt bleiben soll. Chrysostomus bestritt die Autorität dieser Synode als einer arianischen, aber vergebens; der Kaiser bestätigte die von der Majorität über ihn verhängte Sentenz der Absetzung. Kaiserliche Beamte verkünddeten dem Chrysostomus dieß Urtheil sammt dem Befehl, vorderhand seine Wohnung nicht zu verlassen und die Kirche nicht mehr zu betreten. Das Volk von Constantinopel aber nahm entschieden für den Bischof Partei und besuchte nur den Gottesdienst der ihm anhängigen Geistlichen. So karn jener furchtbare Charsamstag des J. 404, dessen Gräuel an heiliger Stätte Chrysostomus selbst im Folgenden beschreibt. ↩
