11. Über den Handel.
Wenn wir weiter über die Quellen der Versündigungen nachdenken, vor allem über die Habsucht, die Wurzel aller Übel, in welche verstrickt einige am Glauben Schiffbruch gelitten haben1, wiewohl von demselben Apostel die Habsucht auch ein Götzendienst genannt wird2, sodann die Lüge, diese Dienerin der Habsucht, -- vom Meineide schweige ich lieber, da zu schwören überhaupt nicht einmal erlaubt ist -- so frage ich: schickt sich der Handel für den Diener Gottes? Wie, wenn die Habsucht den Abschied bekommt, welche die treibende Kraft des Erwerbs ist? Wenn kein Motiv für das Erwerben mehr da ist, so ist auch kein Handel mehr nötig. Zugegeben nun, es gebe einen gerechten Erwerb, der geschützt ist gegen den Vorwurf der Habsucht und Lüge, so glaube ich doch, dass die Handelsgeschäfte in das Vergehen der Idololatrie verstrickt sind, da sie zu Seele und Geist der Idole in Beziehung stehen und zur Sättigung aller Dämonen dienen. Allerdings ist es nicht die eigentliche Idololatrie. Mögen immerhin dieselben Waren, ich meine der Weihrauch und die übrigen ausländischen Waren, die zu Götzenopfern gehören, den Leuten auch zu medizinischen Salben und obendrein auch uns Christen zur Ausstattung bei Begräbnissen dienen, du stehst aber ganz sicher als ein Beförderer des Götzendienstes da, wenn Aufzüge, Gottesdienste und Opfer für die Idole, infolge von Gefahren, Verlusten, Unglücksfällen, Plänen, Gesprächen oder Geschäftsunternehmungen veranstaltet werden.
Es fürchte niemand, dass auf diese Weise alle Handelsgeschäfte in Frage gestellt würden. Schwerere Vergehungen verlangen je nach der Größe der Gefahr eine desto ausgedehntere und sorgfältigere Wachsamkeit, S. 154damit man sich nicht bloß vor ihnen selbst hüte, sondern auch vor dem, wodurch sie zustande kommen. Denn es ist gleichgültig, ob eine Sache von ändern verübt wird, wenn ich das Mittel dazu bin. Ich darf niemandem als unentbehrlicher Helfer dienen bei etwas, was mir selber unerlaubt ist. Daraus folgt, dass ich auch dafür sorgen muss, dass ich nicht das Mittel zu dem werde, was mir selbst zu tun verboten ist. Dieses Postulat werde ich z. B. auch in einem ändern Fall von nicht geringerer Verwerflichkeit befolgen. Weil mir die Hurerei untersagt ist, so werde ich auch ändern keine Hilfe und Mitwissenschaft leisten. Wenn ich meinen eigenen Leib von schlechten Häusern fernhalte, so erkenne ich es damit als unstatthaft an, Kuppelei oder einen Erwerb3 dieser Art für einen ändern auszuüben. Das Verbot des Mordes gibt mir einen Fingerzeig darauf, dass die Gladiatoren von der Kirche ferngehalten werden müssen; man wird nichts selbst tun, zu dessen Verübung man ändern keine Hilfe leistet. Aber sieh da, es gibt einen noch näher liegenden Präzedenzfall! Wenn ein Lieferant von Vieh für den Bedarf des Opfers zum Glauben übertritt, gestattet man ihm dann, noch weiter dieses Geschäft beizubehalten? Oder wenn jemand, der bereits ein Christ ist, es zu betreiben anfangen sollte, würde man ihn wohl in der Kirche dulden? Ich glaube nicht; das würde nur der tun, der hinsichtlich der Weihrauchhändler durch die Finger sieht, sonst niemand. Allerdings, die einen sorgen für Beschaffung des Schlachtviehs, die ändern für die Wohlgerüche. Wofern aber, bevor es Götzenbilder in der Welt gab, mit diesen Waren schon ein noch kunstloser Götzendienst betrieben wurde, und wofern auch jetzt sehr häufig götzendienerische Handlungen ohne Idole bloß durch Anzündung von Wohlgerüchen begangen werden, erweist dann der Weihrauchhändler den Dämonen nicht sogar einen noch wichtigeren Dienst? Denn die Idololatrie kann eher ohne Idol vor sich gehen, als ohne die Ware des Spezereihändlers. Wir wollen die Grundsätze des S. 155Glaubens ernstlich befragen! Mit welcher Stirn kann ein christlicher Spezereihändler, wenn er an den Tempeln vorbeigeht, den Qualm der dampfenden Altäre verabscheuen und von sich wegblasen, da er sie selber damit versorgt hat? Mit welcher Konsequenz wird er seine Kostgänger exorzisieren, für welche er sein Haus zur Vorratskammer hergibt? Er wenigstens würde, wenn er einen Dämon austreibt, an den Wirkungen des Glaubens keinen Gefallen haben. Denn er hat dann einen ausgetrieben, der nicht sein Feind ist. Also keine Kunstfertigkeit, kein Beruf, kein Handelsgeschäft, welches zur Ausstattung oder Herstellung von Götzenbildern irgend etwas beiträgt, kann von dem Vorwurf der Idololatrie frei sein. Es müsste denn sein, dass wir unter Idololatrie etwas anderes verständen, als eine Dienstleistung zur Verehrung der Idole!
