9. Kap. Mit diesem Ausspruche hat aber Christus nicht zu einem beständigen Suchen aufgefordert, sondern nur zu einem Suchen nach dem wahren Glauben.
Ich räume nun freiwillig diese Stellung. Möge die Aufforderung: „Suchet und ihr werdet finden“ allen gelten; aber auch dieser Sinn darf seine Sache nur führen1 mit dem Steuerruder einer richtigen Interpretation. Keiner der göttlichen Aussprüche ist so zerflossen und verschwommen, daß bloß Worte behauptet2 werden, und der innere Grund für die Worte nicht festgestellt werde. Doch ich stelle erst den Satz auf: Christus hat sicher eine und eine bestimmte Lehre gelehrt, welche die Völker in jedem Falle glauben müssen, und welche sie nur deshalb suchen sollen, damit sie sie, wenn sie sie gefunden haben, glauben können. Bei einem einzigen und bestimmten Lehrsystem kann es aber kein endloses Forschen geben. Man muß suchen, bis man findet, und glauben, wenn man gefunden hat, und dann ist weiter S. 317nichts mehr zu tun, als festzuhalten, was man im Glauben erfaßt hat, da man ja überdies noch glaubt, nichts anderes glauben und daher auch nicht suchen zu dürfen, da man ja das gefunden und glaubend angenommen hat, was von demjenigen gelehrt worden ist, der uns befiehlt, nichts anderes zu suchen, als seine Lehre. Ist jemand in Betreff dieser im unklaren, so wird überzeugend bewiesen werden, daß bei uns zu finden ist, was Christus gelehrt hat. Für jetzt gebe ich im Vertrauen auf meine Beweisführung vorab gewissen Leuten3 die Ermahnung, daß sie nicht über das hinaus noch forschen dürfen, was sie im Glauben als das erfaßt haben, was sie zu suchen schuldig waren, damit sie nicht die Stelle: „Suchet und ihr werdet finden“ ohne die gute Ordnung eines vernünftigen Grundes erklären.
certare vor Gericht für seine Sache streiten, seine Sache führen. Die Übersetzung „aber auch dieser Sinn will gegen das Steuerruder der Interpretation streiten“ ist unrichtig; vgl. den Schluß des Kapitels. ↩
verba tantum defendantur. defendere wie oft bei T. = asserere, vindicare, aufstellen, behaupten, schützen. ↩
Gemeint sind voreilig urteilende oder unruhige Leute unter den Katholiken. ↩
