4. Kap. Christus hat das Auftreten der Häresien im voraus angekündigt.
Bleiben wir vielmehr eingedenk sowohl der Aussprüche des Herrn als der Schriften der Apostel, welche uns zum voraus verkündeten, daß es Häresien geben S. 310werde, und uns vorschrieben, sie zu fliehen; alsdann werden wir uns nicht darüber entsetzen, daß es welche gibt, und ebensowenig uns wundern, wenn sie das zu bewirken imstande sind, weswegen man sie fliehen muß. Der Herr lehrt, daß viele kommen werden, die unter Schafsfellen reißende Wölfe sind1. Was sind diese Schafsfelle anders, wenn nicht der äußerliche Anschein des christlichen Namens? Wer sind die reißenden Wölfe, wenn nicht die betrügerischen Gedanken und Gesinnungen, die im Innern versteckt sind, um der Herde Christi nachzustellen? Wer die Pseudopropheten2, wenn nicht die falschen Prediger; wer die Pseudoapostel3; wenn nicht die unechten Evangelisatoren; wer sind die Antichristen4 für jetzt und alle Zukunft, wenn nicht die Empörer gegen Christus?
Das also sind die Häresien, welche der Kirche durch ihre verkehrten Lehren nicht weniger zusetzen, als später der Antichrist, der ihr eine grausame Verfolgung bereiten wird; nur mit dem Unterschiede, daß die Verfolgung auch Märtyrer hervorbringt, die Häresie aber nur Apostaten. Deshalb eben mußte es auch Häresien geben, damit alle Bewährten offenbar würden5, sowohl die, welche in der Verfolgung bestehen, als die, welche zu den Häresien nicht abfallen. Denn er heißt uns nicht, unter den Bewährten diejenigen zu verstehen, welche ihren Glauben in Häresie verkehrt haben, wie es sich die Gegenpartei auslegt, weil er irgendwo anders sagt: „Alles prüfet, was gut ist behaltet“6, als ob es nicht geschehen könnte, daß man alles schlecht prüft, irrtümlich sich für etwas Schlechtes entscheidet und sich darin verrennt.
