10. Kap. Die Johannestaufe und ihre Wirkungen.
S. 286 Wir haben nun, soviel unserer geringen Person zusteht, alles zur Sprache gebracht, was den religiösen Charakter der Taufhandlung ausmacht. Jetzt will ich, so gut ich vermag, aus Anlaß gewisser untergeordneter Fragen zu dem, was sonst noch zum Wesen der Taufe gehört, übergehen. Die Taufe, von Johannes angekündigt, gab schon damals Anlaß zu einer Streitfrage, welche der Herr selbst den Pharisäern vorlegte: Ob diese Taufe vom Himmel oder bloß irdisch sei1? Darauf vermochten jene keine bestimmte Antwort zu geben, weil sie es nicht verstanden, aus Mangel an Glauben. Wir aber - obwohl unser Glaube ebenso gering ist als unsere Erkenntnis - können uns das Urteil bilden, daß diese Taufe zwar göttlich gewesen sei, aber nur hinsichtlich des Auftrags dazu, nicht ihrer Wirkung nach, da wir lesen, daß auch Johannes vom Herrn zu diesem Amte gesendet worden, im übrigen aber seiner Beschaffenheit nach nur ein Mensch gewesen sei. Denn er vermochte nichts Himmlisches mitzuteilen, sondern ging als Diener vor dem Himmlischen her, nämlich als einer, der nur mit der Buße zu tun hat, welche in der Gewalt des Menschen steht. So taten die Pharisäer und Gesetzeslehrer, welche nicht glauben wollten, denn auch keine Buße. Wenn nun seine Buße ein bloß menschliches Werk war, so muß auch die Taufe desselben Mannes von entsprechender Beschaffenheit gewesen sein, oder aber sie hätte den Hl. Geist und die Nachlassung der Sünden gewährt, falls sie himmlisch gewesen wäre. Aber Nachlassung der Sünden und Mitteilung des Hl. Geistes gewährt nur Gott allein. Sogar der Herr selber sagte, daß der Geist anders nicht herabsteigen werde, als wenn er selber vorerst zum Vater hinaufgegangen sein würde. Das aber, was noch nicht einmal der Herr mitteilte, hätte der Knecht offenbar nicht gewähren können. Daher finden wir späterhin auch in der Apostelgeschichte die Bemerkung, daß die, welche die Taufe des Johannes empfangen hatten, den Hl. Geist, den sie nicht einmal vom Hörensagen kannten, noch nicht besaßen. Was nichts Himmlisches darbot, war also nicht himmlisch, S. 287da ja selbst das, was an Johannes himmlisch war, der Geist der Weissagung, späterhin, als der Geist in seiner Fülle auf den Herrn übertragen war, so sehr abnahm, daß er den, welchen er gepredigt, welchen er als den Kommenden bezeichnet hatte, nachmals selbst fragen ließ, ob er denn auch der sei. Die Bußtaufe wurde also vorgenommen, gleichsam als eine Bewerberin um die in Christo später nachfolgende Sündenvergebung und um die Heiligung. Denn wenn er die Bußtaufe predigte zur Nachlassung der Sünden, so ging das auf eine künftige Nachlassung der Sünden, da die Buße das Vorausgehende, die Nachlassung das später Folgende ist. Das heißt eben den Weg bereiten. Der Bereitende aber ist nicht selber auch der Vollendende, sondern er trifft nur die Vorbereitungen für das Vollenden. Er selbst, Johannes, bekennt, daß sein Wort und Werk nicht vom Himmel sei, wohl aber das Werk Christi, da er sagt: „Wer von der Erde ist, dessen Rede ist auch von der Erde; wer aber von der Höhe kommt, der ist über alle“2; ebenso: „er taufe bloß zur Buße, es werde aber einer kommen, der im Geiste und Feuer taufe“3; verstehe weil der wahre und feste Glaube mit Wasser getauft wird zum Heile, der erheuchelte und schwache dagegen mit Feuer zum Gericht.
