12. Kap. Ob die Apostel getauft worden seien oder nicht? Wie sie im letzteren Falle selig werden konnten?
Wenn als Grundsatz hingestellt wird, ohne die Taufe gebühre niemandem das Heil, ganz besonders wegen des Ausspruches des Herrn: „Wenn jemand nicht aus dem Wasser wiedergeboren sein wird, so hat er das Leben nicht“1 - dann erheben sich die zweifelsüchtigen, oder richtiger die verwegenen Grübeleien gewisser Leute mit der Frage: Auf welche Weise denn bei einem solchen Grundsatze den Aposteln das Heil zuteil werden könne, da sie, so viel wir finden, mit Ausnahme des Paulus, nicht im Herrn getauft wurden? Oder vielmehr so: Da Paulus allein unter ihnen die Taufe Christi bekommen hat2, so entsteht ein ungünstiges Vorurteil hinsichtlich des Seelenheiles der übrigen, welche der Taufe Christi entbehren, wenn obiger Grundsatz bestehen soll; oder umgekehrt, der Grundsatz zerfällt in sich, S. 289wenn Ungetauften das Heil zugesprochen worden ist. - Dergleichen habe ich, Gott ist mein Zeuge, wirklich gehört, und niemand halte mich für so verkommen, daß ich aus müßiger Schreibseligkeit Dinge aussinne, welche bei ändern Zweifel erwecken könnten.
Nun will ich, so gut ich kann, denjenigen Antwort stehen, welche behaupten, die Apostel seien nicht getauft worden. Wenn sie sich der bloß menschlichen Taufe des Johannes unterzogen haben, so begehrten sie damit auch die Taufe des Herrn, indem der Herr selbst bestimmt erklärte, die Taufe sei nur eine, als er zu Petrus, der sich nicht übergießen lassen wollte, sprach: „Wer einmal abgewaschen ist, der hat es nicht wieder nötig“3. Das hätte er zu einem Ungetauften jedenfalls nicht gesagt, und dies dient als durchschlagender Beweis gegen die, welche den Aposteln, um das Sakrament des Wassers ganz zu zerstören, auch die Taufe des Johannes absprechen. Oder ist es etwa glaublich, daß in diesen Personen, welche bestimmt waren, dem Herrn den Weg über den ganzen Erdkreis zu bahnen, dazumal der Weg des Herrn, die Taufe des Johannes, noch unbereitet gewesen sei? Selbst der Herr, der keine Buße schuldete, ließ sich taufen, und bei Sündern sollte es nicht nötig gewesen sein? Alle anderen also, die nicht getauft wurden, sind aber doch keine Begleiter Christi4, sondern Gegner des Glaubens, Gesetzeslehrer und Pharisäer. Dadurch wird auch nahe gelegt: Wenn die Gegner des Herrn sich nicht taufen lassen wollten, so sind die, welche dem Herrn folgten, getauft worden und haben nicht wie seine Feinde gedacht, zumal da der Herr, dem sie anhingen, durch sein Zeugnis den Johannes so hoch erhoben und gesagt hatte: „Unter den von den Weibern Geborenen ist keiner größer als Johannes der Täufer“. Andere hingegen machen, allerdings gezwungen S. 290genug, geltend, als die Apostel im Schifflein von den Wellen bespritzt und überschüttet wurden, so habe dies die Stelle der Taufe bei ihnen vollständig vertreten, und Petrus namentlich sei, als er über dem Meere wandelte, genugsam eingetaucht worden. Aber ich meine, etwas anderes ist es, durch die Heftigkeit und Gewalt des Meeres durchnäßt oder hinweggerissen werden, und etwas anderes eine in einer Untertauchung bestehende Religionshandlung. Übrigens diente jenes Schifflein als Sinnbild der Kirche, weil sie im Meere, d. h. in der Welt - von den Wogen, d. h. durch die Verfolgungen und Versuchungen, beunruhigt wird, indem der Herr in seiner Nachsicht gleichsam schläft, bis er, durch die Gebete der Heiligen zuletzt aufgeweckt, die Welt bändigt und den Seinigen die Ruhe wieder schenkt.
Mögen die Apostel nun auf irgend eine Weise getauft worden oder mögen sie ungetauft geblieben sein, so daß obiger Ausspruch des Herrn über die eine Abwaschung lediglich unter der Person des Petrus an uns gerichtet wäre, so würde es dennoch eine große Vermessenheit sein, über das Seelenheil der Apostel abzutaxieren5, weil ihnen schon die Prärogative der ersten Auserwählung und des nachmaligen unzertrennlichen Umganges einen Ersatz für die Taufe hätte verleihen können. Denn sie waren, dünkt mich, die Nachfolger dessen, der jedem, der bloß an ihn glaubte, schon das Heil versprach, „Dein Glaube“, sagte er, „hat dich gerettet“6, und: „Dir werden die Sünden nachgelassen werden“ zu einer Person, die glaubte, ohne getauft zu sein. Wenn dies den Aposteln fehlte, so weiß ich nicht, wer die Leute waren, die den Glauben hatten7, der, durch ein einziges Wort des Herrn erweckt, aus dem Zollhause fortging, der Vater, Schiff und Hantierung, welche den Lebensunterhalt gewährte, verließ, der das Begräbnis S. 291des Vaters hintansetzte und so jene höchste Vorschrift des Herrn: „Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert“8, schon erfüllte, bevor er sie noch vernommen hatte.
Joh. 3,5. ↩
Apg. 9,18. ↩
Joh. 13,10. Tertullian hat diese Stelle etwas verändert zitiert, also wohl aus dem Gedächtnis. ↩
Nach Matth. 3,7. Die Anfangsworte dieses Satzes sind keineswegs sicher. Ich wage, da mir die bisherigen Konjekturen nicht genügen, die vermutung quot für duod. ↩
Tertullian bedient sich hier des juristischen Kunstausdruckes aestimare. ↩
Mark. 10,52. ↩
Quorum fides gibt, wie mir scheint, einen ganz guten Sinn und braucht nicht geändert zu werden, nur muß man mit Ursinus nachher suscitatus ändern in suscitata und qui streichen. ↩
Matth. 10,37. ↩
