5. Kapitel (13—17) Sein Eifer im Fasten; Flucht in das Kloster des Felix, mit dem er gemeinsam die Abtswürde bekleidet
Der heilige Fulgentius also peinigte sich in unglaublicher Weise mit den Werken der Abtötung; er trank keinen Wein, gebrauchte kein Öl und aß und trank so ärmlich und so wenig, daß die durch das harte Fasten ausgetrocknete Körperhaut Risse und Geschwüre aufwies und die Schönheit seines wohlgepflegten Körpers von einem Ausschlag entstellt wurde. Viele glaubten damals, der selige Fulgentius werde infolge der Krank- S. 62 heit entweder seinem Vorsatz nach Heiligung untreu werden oder doch in seinem Eifer erlahmen, die einfache Lebensweise der gemeinsamen Regel zu beobachten. Er aber schöpfte gegen aller Erwartung mit Hilfe der zuvorkommenden Barmherzigkeit Gottes aus der Schwachheit seines Körpers noch größere Geisteskräfte und, umso strenger gegen sich, je schwächer er war, dachte er stets an sein ewiges Heil; die Gesundheit des Leibes aber stellte er Gott anheim, in/dem er zu vielen seiner Mitbrüder sagte: „Wir wissen alle, daß durch die Speise das Leben erhalten wird, nicht aber die Gesundheit verliehen werden kann. Denn wenn es scheint, als müsse zur Heilung der Krankheit die Gaumenlust befriedigt werden, warum erkranken dann auch diejenigen, die sich täglich an reich besetzter Tafel sättigen?" Geduldig ertrug er also die Krankheit, demütig übte er sich in der Abtötung. Denn er sah alles, was er tat, als gering an und verlangte einzig danach, von Tag zu Tag besser zu werden. Diesen Vorsatz seines Herzens unterstützte der barmherzige und gütige Gott durch seine göttliche Hilfe und gab ihm bald die Gesundheit des Körpers zurück.
Da nun schenkte der weise Mann, von dem Streben nach höherer Frömmigkeit angetrieben, da er aus ganzem Herzen die Welt für sich kreuzigte und er selbst, der Welt gekreuzigt, den rechten Weg, wie geschrieben steht,1 von Jugend auf wandelte, seinen Vermögensanteil allein seiner Mutter, obwohl er einen jüngeren Bruder mit Namen Claudius hatte, damit das Vermögen nachher von der Mutter seinem Bruder geschenkt würde, wenn dieser sich als guten Sohn gezeigt hätte. So wollte er in heilsamer Absicht die stolze Gesinnung seines jüngeren Bruders demütigen, damit er, weil er nicht aus kindlicher Liebe unterwürfig sein wollte, mit Rücksicht auf die Erbschaft zu gehorchen lerne; damit ferner die fromme Mutter, die nach dem Weggang ihres lieben S. 63 Sohnes sich nicht mehr über seine Anhänglichkeit freuen konnte, sich an seiner edelmütigen Gesinnung tröste« Wie sehr lobten und dankten damals alle Gott, als sie sahen, wie Fulgentius die Begierde nach weltlichen Dingen mit Füßen trat und vollständig auf sein gesamtes Vermögen verzichtete, das er, um die gute Mutter nicht zu kränken, nicht zu Geld machen und den Armen schenken konnte, um dadurch das Verdienst zu gewinnen, Christus als Lehrmeister zu finden.
Nun waren alle Schwierigkeiten überwunden, die ihn am Anfang seiner Bekehrung zu belästigen schienen. Da aber dieses Leben niemals ohne Anfechtungen vergeht, erhob sich wieder eine so heftige Glaubensverfolgung,2 daß Bischof Faustus seligen Andenkens in seinem Kloster keine Ruhe mehr fand, sondern verschiedene Schlupfwinkel aufsuchen mußte. Da suchte der selige Fulgentius aus Furcht, allein an diesem Platz zurückzubleiben oder von einem Ort zum andern wandern zu müssen, nach vorheriger Beratung mit Bischof Faustus ein benachbartes Kloster auf, in dem der Abt Felix, sein Jugendfreund, mit dem er schon als Laie freundschaftlichen Verkehr gepflegt hatte, wenige und einfache Brüder leitete. Der Abt Felix nahm ihn mit Freuden auf; und da er sich an Tugenden mit ihm nicht messen zu können glaubte, übertrug er ihm Titel und Amt des Abtes. Voll Liebe zur Demut lehnte jener das Ehrenamt ab, und erst nach langem Wettstreit der Frömmigkeit beugte er sich mit Zustimmung der gesamten Ordensgemeinde der Gewalt der Liebe und willigte nur mit Widerstreben ein, der Mitbruder seines edlen Genossen zu werden. So nahmen die beiden heiligen Männer, beide von gleicher Gottes- und Nächstenliebe durchdrungen, beide sich ähnlich in ihren Lebenssitten, beide noch eifriger in ihrem Streben nach Vollkommenheit, beide< s 64> sich gleich in ihrem frommen Wandel, während der eine den anderen an Wissenschaft überragte, das edle Joch auf sich, die Klostergemeinde zu leiten.
O wie glücklich war die Schar der Gottesdiener, deren Leitung Fulgentius übernommen hatte! In welch hellem Glanz erstrahlte das Kloster, dem Felix als Verwalter geblieben warf Die Vertauschung ihrer Namen war die Offenbarung ihres gleichen Ruhmes. Fulgentius hieß wegen seines Wandels auf dem Wege Gottes mit Recht Felix, und Felix erntete, während der Ruf des Fulgentius immer größer wurde, die Frucht seiner hohen Stellung. Der eine von ihnen, der heilige Fulgentius, widmete sich in besonderer Weise der Unterweisung der Brüder, während der andere mit Umsicht tagtäglich für das leibliche Wohl besorgt war. Wenn Brüder ein kehrten, predigte der eine mit einzigartiger Beredsamkeit das Wort Gottes, der andere traf sorgfältige Vorbereitung für den Empfang der Gäste und nahm sie voll Freundlichkeit auf. Keiner unternahm etwas ohne die Zustimmung des anderen; und so einträchtig geboten sie über die anderen, daß diese unter der Leitung eines Mannes zu stehen glaubten. So lebten beide, da Felix sich scheute, Fulgentius zu kränken, und Fulgentius den Felix, unter Verzicht auf ihren eigenen Willen; sie erwarben sich Lob, indem sie sich den ihrer Obhut unterstellten Brüdern nützlich erwiesen und zeigten sich groß durch ihre gegenseitige Unterwürfigkeit. Wer könnte die Tugend jener Gesinnung schildern? Auch blutige Kriege vermochten die beiden Freunde, welche die Ruhe des Friedens zueinander geführt hatte, nicht zu trennen. Als vielmehr die Provinz durch den plötzlichen Einfall einer Barbarenhorde3 in Unruhe versetzt wurde und sie sahen, daß das zeitliche Heil nur in der Flucht zu fin den sei, nahmen sie ohne Verzug die Mühe der Auswanderung auf sich. Nach einem wohl erwogenen Plan S. 65 zogen sie weit weg in eine Gegend, wo sie, ohne den Ausbruch einer kriegerischen Verwicklung befürchten zu müssen, in völliger Sicherheit ein Kloster bauen konnten. Die erhabenen Führer des himmlischen Heeres brachen also ihr geistliches Lager ab und zogen gemeinsam, begleitet von der Schar ihrer Mönche, durch unbekannte Gegenden Afrikas, überall den Guten zur Freude und den Bösen zum Haß.
