7. Kapitel (20—22). Auch Fulgentius wird mißhandelt Rückkehr in die Byzacena
Der heilige Fulgentius aber, ein Mann mit einem außerordentlich zarten Körper — er stammte ja aus vornehmer Familie —, konnte, als die brennende Qual des plötzlichen Schmerzes stets größer wurde, die wuchtigen Schläge kaum noch ertragen, wie er uns später selbst erzählte. Er gedachte also die Wut des tobenden Priesters womöglich zu besänftigen oder doch für eine Zeitlang abzulenken, bis sie wieder ausbreche, um in der Zwischenzeit aufzuatmen, damit die fortgesetzte Qual nicht unerträglich würde. „Ich will etwas sagen, wenn mir die Möglichkeit zum Reden gegeben wird„, rief er daher unter den Schlägen aus. Da gebot der Priester S. 69 den Schergen Einhalt, weil er glaubte, er wolle ein Geständnis machen, und befahl ihm, während die Züchtigung ausgesetzt wurde, zu sagen, was er wolle. Als nun der heilige Fulgentius mit den einschmeichelnden Worten seiner gewohnten Beredsamkeit die Geschichte seiner Wanderung zu erzählen begann, war der Priester erstaunt und für längere Zeit besänftigt durch die außerordentliche Lieblichkeit seiner Worte, so daß er beinahe gänzlich seine Grausamkeit vergaß. Er bewunderte die Beredsamkeit des heiligen Fulgentius, er beugte sich vor seiner Weisheit und schämte sich, da er einen großen Mann in ihm vermutete, seiner Gewalttätigkeit. Um jedoch seinen Leuten nicht zu zeigen, daß seine Bosheit besiegt sei, schrie er ihnen zu: „Schlagt wieder fest zu und zerfleischt den Schwätzer mit vermehrten Hieben! Ich glaube, er will auch mich verführen; ich weiß nicht, was er mit seiner weitschweifigen Erzählung bezwecken will.“ Von neuem entbrennt die wahnsinnige Wut seiner Peiniger, und der heilige Fulgentius wird von unzähligen Hieben zerfetzt.
Endlich schämte sich der Priester der von ihm verhängten Züchtigung, da er die Größe der lobenswerten Männer anerkennen mußte; er wagte nicht, sie noch länger in seinem Hause festzuhalten, sondern ließ sie in schimpflicher Weise kahl scheren, ihnen alle Kleider wegnehmen und sie dann nackt und mittellos aus seinem Haus treiben. Aber weder das Abscheren der Haare noch die Nacktheit trug ihnen Beschämung ein, sondern die Ertragung der Mißhandlung, die aus Haß gegen die Religion hervorgegangen war, schmückte die beiden Männer, die der Unterstützung durch die göttliche Gnade sicher waren, mit dem Merkmal des ersten Bekenntnisses für den Glauben. Sie verließen also das Haus des Priesters gleichwie die Stätte eines ruhmvollen Kampfes, mit den Lorbeeren eines herrlichen Sieges geschmückt. Als sie auf das Feld zurückgekehrt waren, wo man sie gefangen hatte, fanden sie die Goldstücke, die Abt S. 70 Felix, wie wir erzählt haben, weggeworfen hatte, vollzählig wieder. Fröhlichen Herzens nahmen sie diese an sich, als ob sie ihnen von der Hand Gottes zurückgegeben wären. Dann kehrten sie unter innigem Dank gegen Gott, der die Demütigen in all ihrer Trübsal tröstet, zu den Brüdern zurück, die in unmittelbarer Nähe geblieben waren.
Die Kunde von dieser grausamen Behandlung versetzte die ganze Umgegend in Trauer; sie gelangte sogar bis nach Karthago. Außer anderen erfuhren auch die falschen arianischen Bischöfe, der heilige Fulgentius sei schwer mißhandelt worden; und da der Bischof1 die Eltern des Fulgentius kannte und diesen selbst, als er noch Laie war, außerordentlich lieb gewonnen hatte, war er gegen den Priester seiner Religion und Diözese, der die Mißhandlung verursacht hatte, sehr aufgebracht. Er erklärte sich bereit, dem seligen Fulgentius Genugtuung zu verschaffen, wenn dieser eine Klage gegen den erwähnten Priester einreichen wolle. Viele redeten Fulgentius zu, dies zu tun; er aber sagte: „Einern Christen steht es nicht zu, in dieser Welt Vergeltung zu suchen. Gott weiß, wie er die Kränkungen seiner Diener strafen soll. Wenn jener Priester auf mein Betreiben hin für sein schweres Vergehen bestraft wird, haben wir den Lohn der Geduld bei Gott verloren; besonders deshalb, weil es vielen Schwachen Ärgernis bereiten wird, wenn ich, der ich zwar ein großer Sünder, aber Katholik und Mönch bin, mich an das Gericht eines arianischen Bischofs wende.“ Er wollte also nicht Böses mit Bösem vergelten; da er aber wußte, daß die Erhaltung seines Lebens für die Guten nötig sei, verließen sie, um nicht ein zweitesmal eine ähnliche Gewalttat von seiten der Häretiker zu erleiden, jene Provinz und kehrten schnell in die Gegend in der Nähe der eigenen Provinz zurück; S. 71 denn lieber wollten sie die Mauren zu Nachbarn haben als die Belästigungen der Arianer ertragen.
Gemeint ist wohl der arianische Bischof von Sicca Veneria. ↩
