Vierter Artikel. Die Trauer verursacht Ergötzen.
a) Das scheint unmöglich. Denn: I. Die Trauer ist das Gegenteil vom Ergötzen; also nicht die Ursache davon. II. Die Wirkungen des einen Teiles eines Gegensatzes stehen entgegen den Wirkungen des anderen. Die Erinnerung an Freudiges aber ergötzt. Also betrübt die Erinnerung an Trauriges. III. Wie die Trauer zum Ergötzen sich verhält, so der Haß zur Liebe.Der Haß aber ist nicht Ursache der Liebe, sondern vielmehr ist das Umgekehrte der Fall. Also ist auch nicht die Trauer Ursache des Ergötzens. Auf der anderen Seite heißt es im Ps. 41.: „Meine Thränen waren mir Brot Tag und Nacht.“ „Brot“ aber drückt aus die Erquickung des Ergötzens. Also sind die Thränen, welche von der Trauer herkommen, Ursache des Ergötzens.
b) Ich antworte, man müsse die Trauer betrachten entweder als thatsächlich bestehend oder als in der Erinnerung befindlich. In beider Weise kann sie sein Ursache des Ergötzens. Die thatsächlich bestehende Trauer nämlich erweckt die Erinnerung an die geliebte Sache, über deren Abwesenheit man trauert; und so ergötzt man sich an der alleinigen Auffassung. Die Erinnerung aber an die Trauer wird Ursache des Ergötzens, weil das Übel vorbei ist. Denn des Übels entbehren wird als Gut betrachtet. Deshalb sagt Augustin (22. de civ. Dei ult. c.): „Oft erinnern wir uns freudig des verflossenen Traurigen und gesund gedenken wir der Schmerzen ohne Schmerzen; und gerade diese Erinnerung macht uns fröhlicher und dankbarer.“
c) I. Oft verursacht etwas mit Rücksicht auf ein äußerliches Moment — per accidens) —- wenn auch nicht kraft seiner eigenen Natur sein eigenes Gegenteil; wie das Kalte bisweilen warm macht nach Aristoteles. (8 Phys.) Und so ist in gewisser Beziehung, wenn auch nicht von sich aus, das Traurige bisweilen die Ursache des Ergötzens, insofern es das Andenken an etwas Ergötzliches veranlaßt. II. Das Andenken an vergangene Traurigkeit macht froh, weil man vom Übel befreit worden. III. Auch der Haß kann manchmal den Anlaß zu Liebe geben; inwieweit nämlich manche einander lieben, weil sie auf das Nämliche Haß geworfen haben.
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