Zweiter Artikel. Das In-Bewegung-sein ist Ursache des Ergötzens.
a) Dagegen sagt: I. Aristoteles (7 Ethic. 12.): „Das Ergötzen ist nicht zu vergleichen mit dem Erzeugen, sondern mit einem Thätigsein, dessen Ergebnis bereits vorliegt.“ Das bereits erreichte Gut ist sonach Ursache des Ergötzens. Was aber zu etwas hin in Bewegung ist, das hat dies noch nicht erreicht. Die Bewegung also ist nicht Ursache des Ergötzens. II. Das In-Bewegung-sein zeigt vorzugsweise Arbeit und Mühe an. Infolge dessen aber wird eine Thätigkeit vielmehr peinlich und nicht ergötzlich. III. Die Bewegung schließt ein Anderswerden, etwas Neues ein, was der Gewohnheit entgegensteht. „Woran wir aber gewöhnt sind, das ist für uns ergötzlich,“ sagt Aristoteles. (1. Rhet. 11.) Auf der anderen Seite sagt Augustin (8. conf. 3.): „Was soll das bedeuten, o Herr, mein Gott, daß, während Du in Ewigkeit Dich an Dir selbst freust und einige Wesen um Dich herum fortwährend sich freuen, daß gemäß diesem unserem Anteil an der Schöpfung wir am gegenseitigen Mangel und Fortschritt, an Beleidigungen und Versöhnungen Freude haben.“ Daraus folgt, daß der Mensch sich freut und ergötzt an gewissen Veränderungen; und so scheint die Bewegung und Veränderlichkeit Ursache des Ergötzens zu sein.
b) Ich antworte, zum Ergötzen gehören drei Elemente: 1. das ergötzende Gut; 2. die Verbindung desselben mit jenem, der sich ergötzt; 3. die Kenntnis dieser Verbindung. Und nach diesen drei Elementen wird die Bewegung ein Gegenstand des Ergötzens, wie Aristoteles (7 Ethic. 12.) sagt. Denn von unserer Seite her wird die Bewegung etwas Ergötzliches, weil unsere Natur veränderlich ist; was deshalb jetzt ihr zukömmlich ist und gefällt, das ist diesund gefällt nachher nicht mehr, wie die Wärme am Ofen im Winter dem Menschen zukömmlich ist, im Sommer nicht. Von seiten des Gutes, das ergötzt, wird die Bewegung etwas Ergötzliches, weil das fortgesetzte Thätigsein eines Gegenstandes die Wirkung vermehrt, wie jemand z. B., der länger dem Feuer nahe steht, wärmer wird. Jeder natürliche Zustand aber besteht in einem gewissen Maße. Wird dieses nun überschritten durch die fortgesetzte Gegenwart des ergötzlichen Gutes, so wird dessen Entfernung ergötzlich. Von seiten der Kenntnis wird die Bewegung und Veränderlichkeit ergötzlich, weil der Mensch das was er kennt, ganz und vollkommen kennen will. Da nun Manches in einem Augenblicke nicht ganz in seiner Erkennbarkeit erschöpft werden kann, so ergötzt die Veränderlichkeit, wonach bald die eine bald die andere Seite des Gegenstandes durchforscht wird. Deshalb sagt Augustin (4. Conf. 11.): „Du willst jedenfalls nicht, daß die Silben stillestehen, sondern daß sie vorüberfliegen, damit andere kommen und du das Ganze hörest; in dieser Weise ergötzen alle Elemente, aus denen ein Ganzes hergestellt ist und die nicht insgesamt zugleich sind, mehr alle zusammen als jedes einzeln.“ Besteht also ein Wesen, dessen Natur unveränderlich ist und bei dem ein Übermaß des Ergötzlichen im Verhältnisse zum natürlichen Zustande des Sich-Ergötzenden durch das fortgesetzte Thätigsein nicht eintreten kann und das da endlich ganz zugleich erschöpfend angeschaut wird, so ist eine Veränderung da nicht mehr ergötzlich; und welches Ergötzen auch immer sich solchem Wesen nähert, das ist im selben Maße vollendeter.
c) I. Was in Bewegung ist, hat noch nicht vollkommen das, wozu es hinbewegt wird; es fängt aber an, es irgendwie zu besitzen, und danach hat die Bewegung selber den Charakter des Ergötzlichen. Freilich ist ein solches Ergötzen unvollkommen, denn vollendetes Ergötzen hat zum Gegenstande Unbewegliches. Ebenso wird die Bewegung angenehm, weil durch sie nun etwas ergötzlich wird, was früher es nicht war etc., wie eben gesagt worden. II.Die Bewegung deutet auf Arbeit und Mühe hin, soweit sie das natürliche Verhältnis in etwa übersteigt. So nun ist die Bewegung nichts Ergötzliches, sondern vielmehr insofern das Hindernis entfernt wird für das der Natur im Zustande der betreffenden Person zukömmliche Maß. III. Woran man gewohnt ist, wird Grund des Ergötzens, weil die Gewohnheit eine zweite Natur wird und somit das Gewohnheitsmäßige der Natur angemessener erscheint. Die Bewegung aber ist etwas Ergötzliches; nicht etwa deshalb weil man dadurch vom Gewohnheitsmäßigen entfernt wird, sondern weil dadurch gerade im Gegenteil das Vergehen oder Aufhören des gewohnheitsmäßigen natürlichen Verhältnisses gehindert wird, denn solches Vergehen könnte verursacht werden durch das fortgesetzte Einwirken eines Gegenstandes. Also aus der nämlichen Ursache wird die Gewohnheit zu etwas Ergötzlichem und desgleichen die Bewegung.
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