Dritter Artikel. In den Tieren ist eine gewisse Hoffnung.
a) Gar keine Hoffnung scheint in den Tieren zu sein. Denn: I. „Die Hoffnung berücksichtigt das zukünftige Gute“ sagt Damascenus. (2. de orth. fide 12.) Zukünftiges aber erkennen gehört den Tieren nicht zu; denn die Sinne erkennen nur das einzeln Erscheinende, also das Gegenwärtige. II. Der Gegenstand der Hoffnung ist das Gute, insofern dessen Erreichung möglich ist. „Unmöglich“ nun und „möglich“ sind gewisse Unterscheidungen, die in das Bereich des „Wahren“ und „Falschen“ gehören, wie Aristoteles (6 Metaph.) sagt. „Wahr“ und „falsch“ aber ist nur im vernünftigen Geiste. Also ist in den Tieren keine Hoffnung, da sie keinen vernünftigen Geist haben. III. Augustin schreibt (9. sup. Gen. ad litt. 14.): „Die Tiere werden in Bewegung gesetzt durch das, was ihnen erscheint, was sie sehen.“ Von der Hoffnung jedoch heißt es (Röm. 8.): „Wer aber schaut, wie soll der hoffen!“ Auf der anderen Seite hat die Hoffnung ihren Sitz in der Abwehrkraft; diese aber ist in den Tieren. Also haben sie auch Hoffnung.
b) Ich antworte, daß die inneren Leidenschaften der Seele beurteilt werden können aus den äußerlichen Bewegungen; daraus erscheint es aber, daß in den Tieren Hoffnung ist. Denn wenn der Hund einen Hasen oder der Habicht einen Vogel in allzu großer Entfernung sieht, so setzt er sich nicht zu dieser Beute hin in Bewegung; denn er hat keine Hoffnung, sie zu erlangen. Ist aber der Hase oder der Vogel in der Nähe, so setzt sich der Hund oder der Habicht in Bewegung; denn er hofft dann auf deren Ergreifung. Das sinnliche Begehren der Tiere nämlich ebenso wie die natürliche Hinneigung der anderen Dinge folgt der Auffassung einer Vernunft wie ja ebenso das Begehren der vernünftigen Natur, das „Wille“ genannt wird. Der Unterschied besteht darin, daß der Wille in Bewegung gesetzt wird infolge der Auffassung einer Vernunft, die mit ihm kraft der Natur verbunden ist; während das sinnliche Begehren im Tiere einem gewissen natürlichen Antrieb oder Instinkt folgt, den der Urheber der Natur in dasselbe gelegt; und das rein natürliche Hinneigen der Dinge ebenfalls der Auffassung einer Vernunft folgt, die von ihnen getrennt ist, nämlich der des ersten Urgrundes. So erscheint also in den Werken der Tiere ein ähnliches Vorgehen wie in den Werken der Kunst; und ähnlich verhält sich dies mit der Thätigkeit der Natur. In dieser Weise sonach ist in den Tieren ebenfalls Hoffnung und Verzweiflung.
c) I. Die Tiere erkennen wohl nicht das Zukünftige; jedoch setzt sich das Tier infolge des natürlichen Antriebes oder Instinktes in Bewegung zu etwas Zukünftigem hin, gleich als ob es das Zukünftige vorhersähe. Dieser natürliche Antrieb ist in das Tier gelegt von seiten der göttlichen Vernunft, die das Zukünftige vorhersieht. II. Der Gegenstand der Hoffnung ist nicht das „Mögliche“, soweit es eine gewisse Differenz des Wahren ist; denn so folgt es der Beziehung des Prädikats zum Subjekt. Der Gegenstand der Hoffnung ist vielmehr jenes „Mögliche“, was zu einem „Vermögen“ in Beziehung steht, was also erreicht werden kann; und so nimmt es Aristoteles 5 Metaph. III. Von dem aus, was das Tier als sich gegenwärtig sieht, wird sein Begehren hinbewegt zu etwas Zukünftigem entweder um es zu vermeiden oder um es zn erreichen.
