Vierter Artikel. Der Zorn verträgt sich mit der Vernunft.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Der Zorn ist im sinnlich begehrenden Teile, der nicht der vernünftigen, sondern der Sinnesauffassung folgt. II. In den Tieren findet sich Zorn. III. Die Trunkenheit bindet die Vernunft, befördert aber den Zorn. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (7 Ethic. 6.): „Der Zorn folgt in etwa der Vernunft.“
b) Ich antworte, der Zorn sei „Begehren nach Rache.“ Das aber schließt ein Vergleichen ein der zu verhängenden Strafe mit dem gemachten Schaden. Deshalb sagt Aristoteles (l. c.): „Vergleichend macht er Schlüsse, wie man auf solche Weise kämpfen müsse, jener, der da alsbald zürnt.“ Vergleichen und Schließen aber geht die Vernunft an. Also verträgt sich der Zorn mit der Vernunft.
c) I. Das Begehren ist mit der Vernunft zuvörderst, insoweit diese befiehlt; und so ist es „Wille“ und wird vernünftiges Begehren genannt; — dann, insoweit die Vernunft anzeigt, was zu thun ist; und so ist der Zorn mit der Vernunft. Denn „der Zorn“ so Aristoteles (problem. 28, 3.) „ist mit der Vernunft, nicht als ob diese geböte, sondern weil sie die Größe des Unrechts offenbart.“ Der sinnliche Teil folgt nämlich der Vernunft nur vermittelst des Willens. II. Die Tiere haben von seiten der göttlichen Vernunft den natürlichen Antrieb als Princip der inneren und äußeren Bewegungen. III. Aristoteles sagt (7 Ethic. 6.): „Der Zorn hört in etwa auf die Vernunft, inwieweit sie kündigt, wie viel Unrecht geschehen ist; aber er hört nicht vollkommen;“ weil er im Begehren nach Rache nicht der Richtschnur der Vernunft folgt. Zum Zorne also gehört eine gewisse Thätigkeit der Vernunft; und es tritt hinzu ein Hindernis für die Vernunft. Daher fagt Aristoteles (problem. 32, 26.): „Die sehr trunken sind, zürnen nicht, denn sie haben keine Vernunft.“
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