Achter Artikel. Die Sünde, die von der Leidenschaft kommt, kann eine schwere sein.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die „Sünde aus Schwäche“ ist eine läßliche. Eine solche ist aber die aus Leidenschaft. II. In der Sinnlichkeit ist keine Todsünde nach Kap. 74, Art. 4. Die Ursache muß aber stärker sein wie die Wirkung. Also kommt von der Sinnlichkeit keine Todsünde. III. Die Leidenschaft führt ab von der Vernunft. Dieser aber gehört es zu, sich zu Gott zu wenden oder von Ihm sich abzukehren; worin die Todsünde besteht. Auf der anderen Seite steht der Text Pauli (Röm. 7.): „Die Leidenschaften der Sünden arbeiten in unseren Gliedern, damit sie für den Tod Frucht bringen.“ Also kann die Sünde aus Leidenschaft Todsünde sein.
b) Ich antworte, die Todsünde sei die Abwendung vom letzten Endzwecke, der da Gott ist; und diese Abwendung gehört der Vernunft an, die kraft der Überlegung Alles zum Zwecke hinzuordnen berufen ist. Dann also nur, wenn die Hinneigung der Seele auf etwas sich richtet, was dem letzten Endzwecke zuwider ist, zugleich aber die überlegende Vernunft nicht entgegentreten kann, wird keine Todsünde vorliegen; — was bei den plötzlich aufstehenden Bewegungen der Fall ist. Wenn jedoch jemand infolge einer Leidenschaft zur Sünde vorgeht oder zur überlegten Zustimmung, so geschieht dies nicht plötzlich, sondern so, daß die Vernunft entgegentreten und somit die Leidenschaft verjagen oder hindern kann. Tritt sie nicht entgegen, so liegt da schwere Sünde vor. So sehen wir ja, wie viele Morde und wie viel Ehebruch aus Leidenschaft vollbracht werden.
c) I. Läßlich ist eine Sünde: 1. auf Grund der Ursache; weil nämlich eine solche Sünde eine Ursache hat, welche die Sünde vermindert; und so nennt man eine Sünde läßlich, weil sie aus Schwäche oder aus Unkenntnis begangen worden; — 2. auf Grund der Folge, weil jede Todsünde vermittelst der Reue zu einer läßlichen d. i. zu einer „nachzulassenden“ wird; — 3. auf Grund der „Art“, wie ein unnützes Wort; und so allein wird der Todsünde die läßliche entgegengesetzt. II. Die Leidenschaft ist die Ursache der Sünde von seiten der Zuwendung zum vergänglichen Gute. Daß die Sünde eine schwere ist, das kommt von seiten der Abwendung vom letzten Endzwecke, welche nur nebensächlich, d. h. ohne beabsichtigt zu sein, oder ohne daß die Leidenschaft dazu hinneigte, aus der Zuwendung folgt. III. Die Vernunft in ihrer Thätigkeit wird nicht immer ganz und gar von der Leidenschaft ausgeschlossen. Also bleibt ihr die Gewalt, sich Gott zuzuwenden oder von Ihm sich abzukehren. Wird die Thätigkeit der Vernunft überhaupt aufgehoben, dann ist auch von Sünde nicht mehr die Rede. VII.
