Erster Artikel Fasten, Gebetsformeln u. dgl., um Wissenschaft zu erlangen, sind etwas Unerlaubtes.
a) Solche Formeln sind erlaubt. Denn: I. Sie sind an sich nicht schlecht; es sind nämlich Fasten, Gebete, fromme Zeichen u. dgl. Sie dienen ferner zu einem guten Zwecke, nämlich, Wissenschaft zu erwerben. Also sind solche Gebräuche der „ars notoria“ nichts Schlechtes. II. Nach Dan. 1. haben die Knaben, die sich des Fleisches enthalten hatten, von Gott die Gabe der Wissenschaft und des Verständnisses erhalten in jedem Buche und in aller Weisheit. Das sind aber gerade die Bräuche, um die es sich hier handelt, nämlich Fasten, Enthalten von Fleischspeisen etc. III. Die Wahrheiten der Wissenschaft zu wissen ist nichts Gott allein Eigenes; denn sie richten sich auf Notwendiges und immer so Bleibendes. Also wenn man auch die Kenntnis solcher Wahrheiten von den Dämonen erhalten will, so scheint das noch keine Sünde zu sein; denn es wird da in nichts ein Vorrang Gottes angegriffen. Auf der anderen Seite heißt es Deut. 18.: „In deiner Mitte soll sich nicht finden, wer bei den Toten die Wahrheit sucht;“ weil ein solches Suchen sich auf den Beistand der Dämonen stützt. Durch die Gebräuche der ars notoria aber sucht man die Kenntnis der Wahrheit vermittelst eines Übereinkommens mit den Dämonen. Also.
b) Ich antworte, die genannte Kunst, um zu großer Wissenschaft zu langen, sei unwirksam und unerlaubt: 1. Unerlaubt; denn man gebraucht Dinge, welchen an sich die Kraft nicht zukommt, Wissenschaft zu verursachen, wie z. B. das Anschauen gewisser Figuren und das Aussprechen gewisser unbekannter Worte u. dgl. Solcher Dinge also bedient man sich nicht als Ursachen, sondern als bloßer Zeichen; die jedoch nicht von Gott eingesetzt sind wie die sakramentalen Zeichen. Somit sind es leere, überflüssige Zeichen und gehören „zu den Übereinkommen mit den Dämonen, welche gewissen festgesetzten Zeichen den Bund ausdrücken.“ Danach muß man also diese Gebräuche und Formeln durchaus und in jeder Weise fliehen; wie auch ähnliche unnütze Künste und schädlichen Aberglauben. (August. 2. de doctr. christ. c. 23.) Diese Kunst ist ferner gänzlich 2. unwirksam. Da man nämlich dabei die Erlernung nicht gemäß der natürlichen Art und Weise beabsichtigt, so kann man sie nur von Gott erwarten oder von den Dämonen. Nun flößte freilich manchen Gott die Weisheit und Wissenschaft in besonderer Weise, absehend von der Natur, ein; wie dem Salomo (3. Kön. 3.); — und seinen Jüngern sagt der Herr (Luk. 21.): „Ich werde euch die Rede geben und die Weisheit, der nicht widerstehen werden können alle euere Gegner.“ Aber diese Gabe wird nicht jedem beliebigen verliehen und nicht mit Beobachtung gewisser Formeln und Gebräuche; sondern rein nach dem Belieben des heiligen Geistes; wie es 1. Kor, 12. heißt: „Dem einen wird durch den Geist die Rede der Weisheit gegeben… Dies Alles wirkt der eine selbe Geist, zuteilend einem jeden wie Er will.“ Die Dämonen aber ereuchten nicht die Vernunft. (I. Kap. 109, Art. 3.) Da nun die Erlangung der Wissenschaft und Weisheit durch die Erleuchtung der Vernunft geschieht, so hat noch niemals jemand durch die Dämonen Wissenschaft erlangt. Deshalb sagt Augustin (10. de civ. Dei 9.): „Porphyrius bekennt selber, durch das Einwirken der Dämonen werde der vernünftige Geist in nivhts von der Unkenntnis gereinigt, daß er nämlich geeigneter werde, Gott und die Wahrheit zu schauen.“ Nur einige wissenschaftliche Beweise könnten die Dämonen den Menschen wörtlich vorsprechen, ohne jedoch das Verständnis davon zu verursachen; das sucht aber die hier berührte ars notoria nicht.
c) I. Wissenschaft erwerben ist gut; aber nicht auf ungehörige Weise. II. Jene Knaben enthielten sich gemäß der Autorität des Gesetzes, nicht wegen abergläubischer Gebräuche gewisser Speisen; und deshalb verdienten sie durch den Gehorsam die Gabe der Weisheit, nach 118.: „Mehr als die Alten habe ich verstanden, weil ich Deine Gebote gesucht habe.“ III. Das Zukünftige von den Dämonen lernen wollen ist auch deshalb Sünde, weil man behufs dessen mit denselben sich verbinden muß.
